jedermensch
 

Jedermensch

Zeitschrift für soziale Dreigliederung, neue Lebensformen und Umweltfragen

Sommer 2003 - Nr. 627


Inhalt


Soziale Alternativen entwickeln
Im März fasste sich Bundeskanzler Gerhard Schröder Mut und verkündete in einer Regierungserklärung mit welchen „Reformen“ er den Sozialstaat umzubauen gedachte. Dieter Koschek dikutiert die Agenda 2010 und notwendige Alternativen dazu.


Was läuft falsch mit der Welt?
Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen


Friede und Liebe
Diesen Beitrag von Günter Bartsch können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen

Lesefund:   »Wer regiert die Welt?«
Andreas Pahl weiß auf das Buch von Jean Ziegler »Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher« hin.


Rückblicke
Mit diesem Zitat aus Peter Scholl-Latour, Kampf dem Terror, Kampf dem Islam? Schauen wir auf den 1. Golfkrieg zurück

Schummelei und Gesteuertsein
Auch in der deutschen Ausgabe hat das Buch „Stupid White Men“ von Michael Moore viele Auflagen erreicht (München 2002). Ein Hinweis von Anton Kimpfler


Wirkungen der UNO-Sanktionen im Irak
Hans Graf von Sponeck, Sohn des von Hitler wegen Befehlsverweigerung hingerichteten Graf v. Sponeck, der deutsche Soldaten auf der Krim befehligte und in aussichtsloser Lage zurückzog, war von 1998 bis zu seinem Rücktritt 2000 Leiter des UN-Hilfsprogrammes »Oil for Food«. Ein Hinweis auf das Buch von Andreas Pahl.


In Cromwells Geist

»Durch Kontrolle der Energie und auch des Erdöls hat man Nationen und ihre Finanzsysteme im Griff.«   (Henry Kissinger, Staatssekretär für Foreign Relations unter Richard Nixon) von Andreas Pahl

 


Begabung und Umkämpftheit

Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen


Eulenspiegel-Nachrichten
Das Projekt in Wasserburg am Bodensee berichtet über die letzten drei Monate und runft zur Unterstützung auf!


Nachrichten aus Case Caro Carrubo


Symposion zur Sozialen Plastik in Achberg
 Werk von Beuys noch lange nicht ausgeschöpft - Neuer Jugendimpuls ? 
Mehr als 300 Menschen aus vielen Ländern besuchten Anfang Mai das fünfte Beuys-Symposion mit dem Titel "Pädagogik-Therapie-Heilung" in der Gemeinde Achberg im Dreiländereck am östlichen Bodensee. Von Rainer Rappmann


Schwerpunkt Freie Schule

Gegen Schematisierung des Unterrichts und Verbeamtung der Schule wehrt sich das Kind

Auszug aus einem Vortrag von Rudolf Steiner am 11. Juni 1920 (Gesamtausgabe 298)


Niederstieg der Hochschule
Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen

Verschlimmerung statt Reform

Im Vergleichstest hatten die bundesdeutschen Schulen verhältnismäßig schlecht abgeschnitten. Vornehmlich betroffen ist die staatlich geführte Schule. Ein Beitrag von Jürgen Kaminski.


Terror gegen die Schüler
Am deutlichsten wird diese „Verrechtlichung“ der Pädagogik im Umkreis des Abiturs:
Auszug aus einem Beitrag von Hermann Bauer in Info 3, 1/2003


Mit Kindern und Jugendlichen Schule neu denken

Uwe von Dückerstellt das Projekt „Freiburger StraßenSchule e.V“ vor


Lernen in Freiheit
Das Stall-Projekt in York (Stables Project) sollte ursprünglich für 16- bis 25jährige Jugendliche sein. Inzwischen sind es hauptsächlich 15jährige, die daran teilnehmen. Es knüpft an Venture an, einer von Schülern mitgestalteten Oberstufenarbeit der Waldorfschule (Steiner-School) am dortigen Ort. 


Mit Kinder in eine bessere Welt

Kess Waaldijk: „Janusz Korczak – Vom klein sein und groß werden.„ Eine Buchbesprechung von Sibylle Alexander


Der Zukunft Türen öffnen

Die Freie Schule Elztal ist eine auf zwölf Jahre angelegte Schule. Nach der 8. Klasse endet für die Schülerinnen und Schüler die gemeinsame Zeit mit ihrem Klassenlehrer oder ihrer Klassenlehrerin. Daran schließen sich die 9. und 10. Klasse mit einem eigenen Konzept an. Dieses wurde erst vor wenigen Jahren auf der Grundlage bestehender Erfahrungen mit Jugendlichen von einer Arbeitsgruppe entwickelt. Die Klassen 11 und 12 gibt es zur Zeit nicht, LehrerInnen und Eltern arbeiten jedoch an Konzeption und Umsetzung. Wir baten einen der derzeitigen Klassenbetreuer, Dieter Wiedner den besonderen Gang der 9. und 10. Klasse - im Zusammenhang mit der gesamten Schulzeit - zu beschreiben.
Von Dieter Wiedner, Klassenbetreuer und Petra Lutz und Jutta Wahl, EinBlick-Redaktion 


Waldorfinitiative Harzvorland e.V.

Wir wollen 2003 eine Waldorfschule gründen!


Anthroposophie und jedermensch

Beeinflussbarkeit und Selbstbehauptung

Diesen Beitrag von Anton Kimpfler können sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen


Weitere Beträge und Kurznachrichten finden sie in der gedruckten Ausgabe

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Soziale Alternativen entwickeln

Im März fasste sich Bundeskanzler Gerhard Schröder Mut und verkündete in einer Regierungserklärung mit welchen „Reformen“ er den Sozialstaat umzubauen gedachte. Auf dem Plan stehen Arbeitspolitik, Gesundheitspolitik und die Rentenpolitik neben einigen anderen Aspekten, wie die Gemeindefinanzen und die Bildungsreform. Die Regierung arbeitet mit dem Begriff „Agenda 2010“, der Zukunftscharakter haben soll und die Grünen werben inzwischen für die Agenda 2010 mit Floskeln wie „Chancen gerecht verteilen“ und verstehen ihre Zustimmung dazu als einen Schritt, dem weitere folgen sollen.

Doch die „Agenda 2010“ führte sofort auch zu Aufruhr: Linke SPD-Genossinnen und Teile der Gewerkschaften erkannten mit bloßem Auge, dass der Kanzler hier Augenwischerei betreibt und diese Agenda in der Essenz nur Sozialabbau bedeutet. Immerhin drohten die Genossen mit einem Mitgliederbegehren, die Gewerkschaften riefen zu Demonstrationen auf.

Und sie haben natürlich recht. Zuerst dachte ich, man muß den Kanzler besser lesen, um die Bedeutung der Agenda für die Zukunft zu verstehen, aber es ist und bleibt Sozialabbau mit angehängten kleineren Reförmchen in der Handwerksordnung und im Bildungswesen. Bei mir – wie bei vielen anderen – bleibt der Eindruck, dass die Regierung hier einen Schritt in Richtung Neoliberalisierung betreibt. Sozialabbau bei Arbeitslosen, Kranken und Rentnern!

Und eine Steuerpolitik, die weiterhin eine Entlastung der Reichen und Unternehmen bevorzugt. Für die erste und zweite Stufe der Steuerreform wurden Mindereinnahmen von 21 Milliarden Euro errechnet. Würden heute die gleichen Steuerverhältnisse wie früher gelten, hätte der Staat rund 40 Milliarden mehr Einnahmen. Diese Steuerreformen sollen den Wirtschaftstandort Deutschland und den privaten Konsum fördern.

Doch wie man sehen kann, funktioniert das auf diesem Wege nicht, denn die Wirtschaftszahlen und hier die Arbeitslosenzahlen sprechend deutlich davon, daß die Politik hier falsche Überlegungen anstellt. Aber die Regierung zieht daraus nur den Schluss weitermachen und noch mehr Steuergeschenke für die Reichen und noch mehr Sozialabbau.

Festzustellen ist jedoch, dass die Regierung nicht nur aus Eigeninteressen handelt, sondern dass tatsächlich Probleme auftauchen, die gelöst werden müssen. Die Steuergerechtigkeit ist aus den Fugen, die gesellschaftliche Solidarität weicht dem Eigennutz, die demografische Entwicklung erfordert „Neujustierungen des Rentensystems“ und die Entwicklungen in der Arbeitswelt erfordern Antworten, eine Erneuerung des Gesellschaftsvertrages steht aus. Die außerparlamentarische Opposition und die Kräfte der Zivilgesellschaft, die sich auf Solidarität, Partizipation, Friedfertigkeit , Gerechtigkeit, Freiheit und Ökologie berufen, müssen ihren Teil zur Lösung der Probleme beitragen.

Was ist zu tun: Festzustellen ist, dass die außerparlamentarische Opposition die gleichen Probleme hat wie der Kanzler. Es fehlen Analysen, Rückblicke, eine offene Diskussion über die Entwicklungen und neue Impulse. Es fehlt eine Zukunftsvision. Die Regierung und auch die parlamentarische Opposition CDU/CSU und FDP (die alles nur noch schlimmer machen will) wollen dies nicht. Die außerparlamentarische Opposition muss dies tun.

Die letzten drei Monate zeugen hier von Hoffnung. Neben den innerparteilichen Widerständen und dem von Teilen der Gewerkschaften, ist der Widerstand dabei sich zu formieren, und ich hoffe hier stark auf „attac“, das Bündnis gegen die neoliberale globalisierte Zukunftsgestaltung, denn hier bündeln sich derzeit die gesellschaftlichen Kräfte der Bürgerbewegungen. Dort wurde eine Arbeitsgruppe Sozialagenda eingerichtet und versucht die Kräfte in einem aktivierenden Prozess zu stärken.

Doch auch dort ist zu lesen, dass eine „Zukunftsvision“ fehlt und ob die Summe aller Einzelvorschläge diese ersetzt bleibt offen.

Ich sehe ja auch die Vielzahl der Vorschläge für eine Zukunftsvision, gerade die, die aus der Sozialen Dreigliederung kommen: Freiheit im Geistesleben heißt klar setzen auf den Menschen, auf seine Kreativität und Motivation. Freie Schulen, freies Lernen muss von der Gesellschaft anerkannt und gefördert   werden. Die Wirtschaft braucht Rahmenbedingungen aus ökologischer und sozialer Sicht und muss sich auf die Bedürfnisbefriedigung beschränken, während der Staat die rechtlichen Regelungen gewährleisten muss.

Doch bereits kleinste „Forderungen“ oder „Impulse“ führen zu vielen Gegenvorschlägen, setzen Ängste bei den Diskutierenden frei und erfordern jedes Mal sofort ein Gesamtbild. Damit sind natürlich die Beteiligten
überfordert und der Wunsch, nach einer oder einem, der die Vision verkündet wächst. Das soll heißen, dass eine weitere wichtige Aufgabe dazu kommen muss: die Weiterentwicklung und gesellschaftliche Ausformung von sozialem Handeln! Offenheit, Toleranz, Achtung und Respekt.....

Aber das Bohren dicker Bretter dauert seine Zeit und daher unterliegt der gesamte Prozess einer gesellschaftlichen Erneuerung auch einem dynamischen Prozess, der Wiederholungen, Pausen und auch Vergessen beinhaltet. Erschwert wird das Ganze natürlich dadurch, dass Interessengemeinschaften diesen Prozess verhindern wollen.

Doch die Veränderung fängt nach wie vor in jedem Einzelnen an. Wie bewusst stehe ich in der Welt? Mit welchen Werten und Impulsen gehe ich durch meine Welt? Wie verhalte ich mich in kleinen sozialen Zusammenhängen und gegenüber der Gesellschaft? Mit welcher Motivation und Zielen beteilige ich mich an der gesellschaftlichen Erneuerung? Wie stehe ich im Dreieck Arbeitsfeld, Konsum und freiem Geistesleben?

Ansätze und Arbeitsfelder gibt es wahrhaft genug.

Für mich bedeutet dies das Täglich-Erinnertwerden an die Werte, die ich bei Peter Schilinski fand. Allein das Erinnertwerden kann schon ein schmerzlicher Prozess sein, wenn die Erkenntnis kommt, dass die Umsetzung noch viel mehr Energie erfordert. Das muss nicht in neuen Gemeinschaftsformen geschehen, sondern an Ort und Stelle, wo ich lebe. Wie informiere ich mich und gehe z.B. mit der Flut von Katastrophenmeldungen in den Medien um. Bilde ich mein Bewusstsein oder lasse ich mich von den Medien einschläfern? Lähmt mich die Komplexität der gesellschaftlichen Fragen oder suche ich meinen beizutragenden Teil? Wie gehe ich damit um, dass mein Weg durch die Abgründe und Tiefen der menschlichen Seele geht und die Höhe der Erkenntnis und Wahrheit oft nicht mal sichtbar ist, geschweige denn ich mich auf dem Wege dorthin befinde? Oder bilde ich Illusionen statt Erkenntnisse?

Den ersten Schritt zur gesellschaftlichen Erneuerung kann jeder tun.

Dieter Koschek

weitere Informationen zur Agenda 2010, dem Widerstand und der gesellschaftlichen Erneuerungsbewegung
finden sie im Internet unter: www.agspak.de/aktuelles

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Lesefund:   »Wer regiert die Welt?«

Vor nicht langer Zeit veranstaltete die »Christengemeinschaft« im Elsass eine Jugendtagung unter diesem äußerst wichtigen und bemerkenswerten Thema. Wie man von TeilnehmerInnen später erfahren konnte, waren die Ergebnisse eher schleierhaft. Dies wäre wohl nicht geschehen, hätte man Jean Ziegler als kompetenten und erfahrenen Referenten eingeladen. Wer sich Ziegler’s neueres Werk »Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher« zu Gemüte führt, sollte gut sitzen und einen Kamm für seine gesträubten Haare bereithalten. Als ehemaliger Schweizer Nationalrat (bis 1999) und derzeitiger Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission für das Recht auf Nahrung weiß er, wovon er spricht. Erfrischend ist Jean Ziegler’s Stil, die Dinge unverblümt beim Namen zu nennen, was ihm sicher nicht wenige verübeln. Für den Leser ist jedoch die klare Darstellung von globalen Wirtschaftsbeziehungen und die Aufdeckung ihrer demagogischen Heucheleien so wohltuend wie die Wurzelbehandlung eitriger Zähne. Bei aller unumgänglichen Informationsmenge schafft es Jean Ziegler, durch seinen menschlichen und mitfühlenden Stil die Lektüre genießbar zu halten, nicht zuletzt auch deswegen, weil Exkurse in die gegenwärtige Politik bis zu den Machenschaften der rechtstexanischen Clique um G.W. Bush und Cheney aktuell unter die Haut gehen. Langjährige Einblicke in politische und wirtschaftliche Verhältnisse ermöglichen es dem Autor, Schlaglichter auf das trübe Gewebe finanzieller Schleichwege und fragwürdiger internationaler Connections zu werfen. Auch philosophische und geschichtliche Elemente kommen nicht zu kurz. Wer sich mit Themen wie »Privatisierung« oder »Globalisierung« etwas tiefergehender auseinandersetzen will, wer wissen will, was Arundhati Roy mit dem »Imperium« meint, findet in Ziegler’s Arbeit einen guten und angenehmen Reiseführer.

Deutsche Übersetzung 2003 im Bertelsmann Verlag, französisches Original in Paris 2002.

Von J. Ziegler erschienen bereits u.a. »Die Schweiz wäscht weißer«, »Die Barbaren kommen. Kapitalismus und organisiertes Verbrechen«, »Wie kommt der Hunger in die Welt?«
Andreas Pahl

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»Wie gelingt es den neuen Herrschern der Welt, sich an der Macht zu halten, wo doch die Unmoral, die sie leitet, und der Zynismus, der sie erfüllt, für niemanden zweifelhaft sind? Worauf beruht das Geheimnis ihrer Verführungskraft und ihrer Macht? Wie kann es sein, daß auf einem mit Reichtümern gesegneten Planeten Jahr für Jahr hunderte Millionen von Menschen Opfer von äußerster Armut, gewaltsamem Tod und Verzweiflung werden?«   
Jean Ziegler

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Rückblicke

»Wie oft ist mir die Frage nach dem überstürzten Abbruch der Feindseligkeiten am Morgen des 28. Februar 1991 gestellt worden. General Schwarzkopf hätte doch höchstens zweier zusätzlicher Tage bedurft, um in Bagdad einzumarschieren. Aus der saudischen Wüste waren die Vorhuten – ohne auf Widerstand zu stoßen – bis auf hundertfünfzig Kilometer an die Hauptstadt herangerückt. Selbst die unzureichend gerüstete französische Brigade ›Daguet‹ rollte nach vorn, was die Motoren ihrer Panhard-Straßenpanzer hergaben. Die Iraker leisteten keinen Widerstand mehr und flüchteten in hellen Scharen nach Norden. Der militärische Sieg der USA konnte nicht kompletter sein. Der Untergang Saddam Husseins schien besiegelt. Dennoch wurde das Unternehmen ›Wüstensturm‹ zum großen Ärger des amerikanischen Oberbefehlshabers Norman Schwarzkopf voreilig abgeblasen.

Die Erklärungen sind vielfältig und oft widersprüchlich. Der damalige Stabschef der US-Streitkräfte, General Colin Powell, der heutige Außenminister, wollte bei einer Besetzung Mesopotamiens offenbar nicht in einen ›protracted warfare‹, in einen ›Quagmire‹, so hieß es in Vietnam, verwickelt werden. Häuserkämpfe in Bagdad hätten sehr blutig werden können, nachdem bisher nur 126 Soldaten gefallen waren, darunter 79 Amerikaner…

Die offiziellen Sprecher des Weißen Hauses haben behauptet, der Krieg und vor allem die Landangriffe gegen die flüchtenden Iraker seien eingestellt worden, um kein namenloses Gemetzel beim Gegner anzurichten… Die Schätzungen über die im Krieg getöteten Iraker schwanken erheblich, variieren zwischen 85000 und 150000 Opfern. Aber sie beziehen sich fast ausschließlich auf das gewöhnliche Fußvolk, auf die Masse der schlecht ausgerüsteten Divisionen, die im südlichsten Abschnitt von Kuweit und Umgebung massiert waren und denen in den meisten Fällen kein Pardon gegeben wurde. Die Eliteeinheiten des Regimes, die ›Republikanische Garde‹, etwa 80000 Mann mit ihren modernen T-72-Panzern, waren auf Anordnung Saddam Husseins in rückwärtigen Stellungen disloziert worden und wurden von der US-Air Force aus mysteriösen Gründen weitgehend verschont.

Eine andere offizielle Erklärung besagt, George Bush senior habe vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen lediglich den Auftrag zur Befreiung Kuweits und nicht zum Vormarsch auf irakisches Territorium erhalten. Doch wer wäre schon dem US-Commando in den Arm gefallen, als es um die Eliminierung des ›Kriegsverbrechers‹ Saddam ging, und seit wann scherte Washington sich so skrupulös um UN-Resolutionen. Im Gegenteil, es kam eine weltweite Enttäuschung auf, daß der Diktator von Bagdad sich an der Macht behaupten würde…

Die wirklichen Überlegungen, die dem plötzlichen Stillhalten der US-Streitkräfte zugrunde lagen, waren anderer Natur. Weder die USA noch deren saudische Verbündete besaßen irgendein Interesse an der staatlichen Auflösung der irakischen Republik. Eine entscheidende Schwächung der tyrannischen Zentralgewalt in Bagdad hätte diversen separatistischen Tendenzen freien Lauf gelassen. Die Bevölkerung des Zweistromlandes setzt sich bekanntlich zu sechzig Prozent aus Schiiten zusammen, die vor allem südlich der Hauptstadt und im Umkreis von Basra eine erdrückende Mehrheit bilden. Die Gründung eines schiitischen Gottesstaates im Südirak nach dem Vorbild der Khomeini-Revolution wäre in Teheran zwar mit Begeisterung aufgenommen worden, hätte jedoch beim saudischen Königshaus die Befürchtung genährt, nun werde diese religiöse Hochstimmung auch auf jene Schiiten übergreifen, die in der saudischen Provinz El Ahsa stark vertreten sind.

Im Norden wäre die Auflösung des Bagdader Staatsapparates von den Kurden genutzt worden, um im Raum von Mossul, Kirkuk, Suleimaniyeh eine souveräne Republik zu proklamieren, was wiederum die türkische Regierung in Ankara und die dortige Armeeführung, die in Ost-Anatolien einen sporadischen Partisanenkrieg gegen die Rebellen der PKK führen, zur militärischen Intervention, ja vielleicht zur dauerhaften Okkupation der irakischen Nordprovinzen bewogen hätte. Kurzum, die Erhaltung des territorialen Status quo erschien den geopolitischen Planern in Washington als das geringere Übel…«

Aus: Peter Scholl-Latour, Kampf dem Terror, Kampf dem Islam?

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Schummelei und Gesteuertsein

Auch in der deutschen Ausgabe hat das Buch „Stupid White Men“ von Michael Moore viele Auflagen erreicht (München 2002). Teilweise überzeichnet es in sehr zynischer Weise, so als ob der weiße Mann das eigentliche Übel sei. Doch in Bezug auf den Weg zur Macht von George W. Bush bringt es erschreckende Fakten.

Miese Tricks wurden längst vor dem Wahltag vorbereitet. In Florida waren nicht nur alle vorbestraften Schwarzen aus den Wahllisten entfernt – wofür es ein Gesetz gibt. Vielmehr sind gleich auch alle diejenigen noch gestrichen gewesen, deren Name ähnlich klang oder die zwar ein geringfügiges Vergehen hinter sich hatten, jedoch ohne Vorstrafe.

Auf diese Weise war tausenden von Bürgern die Wahlmöglichkeit genommen – und zwar solchen, die weniger zu Mister Bush neigten. Auch eine falsche Liste zum Streichen wurde noch benutzt, wo Menschen aus anderen Bundesstaaten darauf standen, die ihre Vorstrafe abgesessen hatten und somit wieder wahlberechtigt gewesen sind.

Dann wurden von republikanischen Wahlhelfern erneut viele Schiffe der Marine der Vereinigten Staaten benachrichtigt, um jeden verfügbaren Wahlzettel auszugraben, auch auf sonstigen Militärstützpunkten. Viele gingen erst verspätet ein und hatten Mängel, wurden aber entgegen der Vorschrift trotzdem zugelassen. Sie kamen weit eher von wahrscheinlichen Wählern des George W. Bush.

Dann gab es noch die Nachzählung in Florida. Und da sah es trotzdem so aus, dass Al Gore sein Zurückbleiben gutmachen könnte. Beinahe in letzter Minute stoppte das Oberste Gericht den Nachzählungsprozess.

Insofern gibt es also mehrere ziemlich eindeutige Hinweise darauf, das der wirkliche Wahlsieger anders geheißen hat. Doch George W. Bush besaß im Machtapparat manipulierende Drahtzieher, die das Gesetz beugten. Beim Wahlzettel selber hatte es zudem Probleme gegeben, was Al Gore auch vermutlich Stimmen kostete.

In einem weiteren Abschnitt seines Buches durchleuchtet Michael Moore sodann, was das für Leute sind, welche die Regierungsmannschaft von George W. Bush ausmachen. Vor allem haben viele mit der Ölindustrie zu tun. Auch in Pharmakonzernen oder bei sonstigen Großindustrien waren verschiedene enge Mitarbeiter tätig beziehungsweise bei Biotechnologie-Unterneh-men. Bis dahin reichen die Verwicklungen, dass dem Gesundheitsminister früher Auslandsreisen von der Tabakbranche bezahlt wurden. Bezüge zu Automobilbetrieben dürfen genauso wenig fehlen wie Elektrizitätsversorger.

Dass solch eine Regierung nicht ein bisschen gesteuert ist, versteht sich von selber. Vor allem kommt noch ein riesiger Einfluss der Militärindustrie dazu. Das Geschäft bestimmt somit einen Großteil der Politik mit.

A.K.

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Wirkungen der UNO-Sanktionen im Irak 

Hans Graf von Sponeck, Sohn des von Hitler wegen Befehlsverweigerung hingerichteten Graf v. Sponeck, der deutsche Soldaten auf der Krim befehligte und in aussichtsloser Lage zurückzog, war von 1998 bis zu seinem Rücktritt 2000 Leiter des UN-Hilfsprogrammes »Oil for Food«. Er quittierte sein Amt, weil er wie sein Vorgänger den Völkerrechtsbruch durch die von den USA gesteuerten UNO-Sanktionen nicht mehr mittragen konnte. Bei einem Vortrag am 14.3.03 in Müllheim/Baden sprach er von einer »neuen Weltmacht«, in die er seine Hoffnung setze und die in vielen Teilen der Erde deutlich an Präsenz und Geltung zugenommen habe, und die er das »Weltgewissen« nannte. Jeder könne sich nach seinen Möglichkeiten an dieser Weltmacht beteiligen, die keine politischen oder religiösen Grenzen kenne. – Der Korrespondent der Berliner »taz«, Andreas Zumach, führte mit  von Sponeck Mitte Januar in Genf ein Gespräch, das als Taschenbuch erschien (s.u.). Nachfolgend einige Auszüge:

Aus dem Vorwort von A. Zumach:

Saddam Husseins Charakter  und seine Greueltaten waren nie ein Geheimnis. Seit seinem Aufstieg zur Macht  in Bagdad konnte und musste jeder, der ihn politisch unterstützte, mit ihm Geschäfte machte oder ihm Waffen verkaufte, genau wissen, mit wem er zu tun hatte. Und besonders enge Kontakte und Beziehungen hatte Saddam Hussein seit Mitte der 60er Jahre zu Geheimdienstlern, Diplomaten und Militärs aus den USA.

Als sich Saddam Hussein 1979 mit kräftiger Unterstützung  der CIA an die Spitze des Regimes geputscht hatte, kabelte der Stationschef des Geheimdienstes in der Bagdader US-Botschaft diese Erfolgsmeldung an die CIA-Centrale in Langley, Virginia: »Ich weiß, Saddam Hussein ist ein Hundesohn, aber er ist unser Hundesohn.« … Robert Gates, Direktor des Geheimdienstes CIA ab 1991, erklärte nach seiner Pensionierung in einem Fernsehinterview, Washington habe »nie irgendwelche Illusionen über Saddam Hussein gehabt«. Der Mann sei »kein Demokrat, kein Agrarreformer, sondern ein ganz gemeiner Verbrecher«. Gates muss es gewusst haben. Als CIA-Agent und Protegé seines Vorgängers auf dem Direktorenstuhl, William Casey, sorgte Gates in den frühen 80er Jahren dafür, dass Saddam Hussein die Technologie zur Herstellung der gefürchteten Streubomben erhielt. Im ersten Golfkrieg (1980–1988) setzten Saddams Generäle diese Streubomben dann gegen die zahlenmäßig überlegenen iranischen Truppen ein – mit verheerender Wirkung. …

Aus dem Interview:

Außer 550.000 Kleinkindern sind seit Anfang 1991 im Irak nach Angabe von Unicef und anderen humanitären Organisationen der UNO über eine Million Menschen im Alter von mehr als 5 Jahren an den Folgen mangelnder Ernährung und unzureichender medizinischer Versorgung gestorben. Das sind in 12 Jahren insgesamt über 1,5 Millionen Tote – oder mehr als 7% der irakischen Bevölkerung. … Ihr Vorgänger, der Ire Denis Halliday, ist 1998 von seinem Amt zurückgetreten und hat die Sanktionen der UNO seitdem als Verstoß gegen das Völkerrecht und sogar als eine Akt des Völkermordes kritisiert. Teilen Sie diese harte Kritik?

… Nach den Statistiken, die Unicef jährlich über die Lebenssituation von Kindern in 188 Ländern dieser Erde veröffentlicht, sind 1990 im Irak 56 von tausend Kindern gestorben, bevor sie das Alter von fünf Jahren erreichten. 1999 starben bereits 131 von tausend Kindern. Das ist eine Steigerung von mehr als 160% innerhalb von nur neun Jahren. Hinsichtlich der Kindersterblichkeit lag der Irak damit   unter den 188 von Unicef untersuchten Ländern auf dem letzten Rang. …

… Die Zahl [psychisch erkrankter Kinder] war nach Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation [WHO] von 220.000 im Jahre 1990 auf über 500.000 im Jahre 1998 angestiegen. …

Der  Sicherheitsrat hat alle Berichte über die verheerenden Folgen der UNO-Sanktionspolitik weitgehend ignoriert. Und es wurde immer wieder die Gegenfrage gestellt: Ist für all das Elend nicht Saddam Hussein verantwortlich? …

Washington und London behaupten also, Schuld an der katastrophalen Lage der irakischen Bevölkerung sei nicht das Sanktionsregime der UNO, sondern das Regime von Saddam Hussein. Die Regierung in Bagdad kooperiere nicht mit der UNO, sie behindere die Verteilung der humanitären Hilfsgüter, zweige einen Großteil der Güter ab und bereichere sich durch deren Verkauf.

Diese Behauptungen sind völliger Unsinn und durch nichts belegt. Meine Kollegen und ich in Bagdad waren immer fassungslos angesichts solcher Vorwürfe. Im September 1999 etwa veröffentlichte das amerikanische Außenministerium eine reine Propaganda-Studie unter dem Titel »Saddam Husseins Irak«. Darin lautet die zentrale These: »Irakische Behinderungen des Programms ›Öl für Nahrungsmittel‹ und nicht die UN-Sanktionen sind der wesentliche Grund für das Leiden des irakischen Volkes.« Berichte der Caritas, von Care und anderen Nichtregierungsorganisationen – darunter auch amerikanische –, die seit Jahren im Irak arbeiten, zeichnen ein ganz anderes Bild. Aber diese Berichte werden nicht zur Kenntnis genommen. Auch die Regierung Blair in London hat schnell verdrängt, dass im Januar 2000 das englische Unterhaus einen Irak-Bericht herausgab, der von einer Gruppe Abgeordneter aller Parteien angefertigt wurde. In diesem Bericht lautet der zentrale Satz zu den Wirtschaftssanktionen gegen den Irak: »Wir hoffen, dass niemals mehr ein Land mit derartigen umfassenden Wirtschaftssanktionen belegt wird wie der Irak.« Man hat manchmal den Eindruck, dass all das, was gesagt wurde, von Friedensgruppen, von Abgeordneten, von manchen Parteien, ignoriert wird, sobald es nicht der Linie entspricht, die man sich in den Regierungen in London und Washington ausgedacht hat.

… Problematisch ist, dass von den von der irakischen Regierung im Ausland bestellten und von den irakischen Ärzten und Krankenhäusern dringend benötigten Medikamenten weniger als 75% tatsächlich auch in den Irak gelangen. Bei medizinischen Geräten, ohne die die Krankenhäuser oft lebensrettende Behandlungen und Operationen nicht durchführen können, liegt die Quote sogar nur bei knapp 50%. Und bei Geräten und Ersatzteilen für die Reparatur von Trinkwassersystemen und anderen lebenswichtigen Einrichtungen der zivilen Infrastruktur gelangt sogar nur rund ein Viertel der bestellten Waren tatsächlich in den Irak. Die Blockade der Lieferung humanitärer Güter, von denen Gesundheit und Überleben der irakischen Bevölkerung abhängen, erfolgt im Sanktionsausschuss des UNO-Sicherheitsrates in New York. … Für die Blockade einer Lieferung in den Irak ist es ausreichend, dass nur ein Mitglied des Sanktionsausschusses Einspruch einlegt. Und in 98% aller Blockaden, die seit Dezember 1996 vom Sanktionsausschuss verfügt wurden, kam dieser Einspruch von den USA. Zumeist mit der Begründung, die von Bagdad bestellten Güter – darunter auch Nierensteinzertrümmerer für die Krankenhäuser – seien auch militärisch verwendbar. Die restlichen 2% der Einsprüche wurden von Großbritannien eingelegt. Im Juli 2002 waren im Ausland bestellte Güter im Gesamtwert von über 5 Milliarden US-Dollar blockiert.  Diese Blockaden wichtiger humanitärer Lieferungen sind einer der wesentlichen Gründe für die katastrophale Lage der irakischen Bevölkerung und nicht, wie von Washington und London immer wieder propagandistisch behauptet, aber nie belegt, Abzweigungen, Bereicherungsversuche oder Behinderungen durch die irakischen Behörden. …

Auszüge aus: Hans v. Sponeck/Andreas Zumach

Irak – Chronik eines gewollten Krieges

 Kiepenheuer und Witsch, TB Reihe KiWi

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In Cromwells Geist

 

»Durch Kontrolle der Energie und auch des Erdöls hat man Nationen und ihre Finanzsysteme im Griff.«   (Henry Kissinger, Staatssekretär für Foreign Relations unter Richard Nixon)

 

Beim Tode Cromwells, so heißt es  in der Dichtung, sei ein furchterregender, düsterer Sturm aufgekommen, mit dem die Elemente zum Ausdruck gebracht hätten, wie dessen Seele vom Teufel geholt würde. Der übliche Geschichtsunterricht entbehrt gegenüber solchen Schilderungen an jeglicher Spannung und soll dies wohl auch, damit das Interesse von an sich sehr interessanten Vorgängen abgelenkt wird. Wer sich jedoch der Mühe unterzieht, sich durch die Betondecke des öden Lehrasphaltes hindurchzubaggern, gräbt unter der Oberfläche Schätze und Zeugnisse hervor, die an Dramatik und Spannung ihresgleichen kaum finden werden, handelt es sich doch jeweils um nichts weniger als die menschliche Existenz in der Zeit schlechthin. Dichter, Philosophen und Historiker wie Paul Valéry, Jacob Burckhardt,  Gabriel Marcel oder Friedrich Heer haben stets unternommen, Blut und Leben in die scheintote Geschichtslehre einzuhauchen. An ihren erfolgreich behandelten »Patienten« entzündet sich der Verdacht, dass hinter dem mechanischen und langweiligen Geschichtsbild, wie es meist Staatsschulen, Universitäten und andere Dressuranstalten überbringen, Prinzip und Methode steht – von geheimnisvollen Drahtziehern, die gar nicht möchten, dass man da für irgendetwas »Feuer zu fangen« beginnt.

Der Puritaner Oliver Cromwell (1599-1658) steht als zwielichtige Gestalt der protestantischen Erhebung dem Sohn der schottischen Königin Maria Stuarts, Jakob I. gegenüber, der durch den Rosenkreuzer Robert Fludd in das esoterische Christentum eingeweiht worden sein soll. Schon 11 Jahre vor Cromwells Geburt leitete die siegreiche Seeschlacht gegen die spanische Armada die Vormachtstellung Englands auf den Weltmeeren ein. Auslöser für den Angriff seitens der spanischen Flotte war wohl auch die unrechtmäßige Hinrichtung Maria Stuarts durch die englische Königin Elisabeth 1587 gewesen. Der Untergang der kriegstechnisch unterlegenen »Armada« wurde durch einen aufkommenden Sturm besiegelt. Wie schon bei Kain und Abel oder Jakob und Esau gewannen wieder einmal jene intriganten Mächte, denen man nicht unbedingt seine Sympathie schenken würde. Die schottische Stuart-Dynastie endet vorübergehend bei Jacobs Sohn Karl I., den Cromwell wegen »Hochverrats« köpfen läßt (1649). Es ist, als würfen die Greuel der Jakobiner ihre Schatten 150 Jahre voraus. Die sich zunächst als tolerant und freilassend in Glaubensdingen gebenden »neuen Herren« kehren noch im gleichen Jahr andere Seiten heraus in der brutalen Unterwerfung andersgläubiger katholischer Iren, Schotten und Royalisten, was den Haß bis in die jüngste Vergangenheit schürte. Cromwell darf als Erfinder des modernen Geheimdienstes à la Gestapo und Secret Service (später auch CIA) gelten, unter seiner Ägide entsteht der »Commonwealth«, der als Testfall einer globalen Weltherrschaft gelten kann.

 

Heinz Pfeifer (»Brüder des Schattens«, Uebersax-Verlag Zürich 1987) bemerkt über ihn:

»Cromwell war mit den spirituellen Wahrheiten vertraut, z.B. dass jedem Volk eine bestimmte kulturelle Aufgabe von den geistigen Welten zugewiesen ist. Er verfälschte, anstatt getreu dem Gebot selbstlos zu sein, die ihm gewordenen Kenntnisse in ein politisches, heuchlerisches Intrigenspiel. Er erhob sich zum Protektor Englands, Schottlands und Irlands und bereitete die zukünftige anglo-amerikanische Weltmacht vor. Er teilte nach seinen Vorstellungen die Erde in vier England hörige Gebiete ein…

Auffallend an Cromwells Plan einer politischen Aufteilung der Erde war die Ausklammerung Russlands. Ihm war eine besondere Rolle von den mit Zeitlabläufen von Jahrhunderten rechnenden Gesellschaften zugewiesen. Sie hatten die anglo-amerikanische Bevölkerung für eine zu bildende Herrenkaste der Erde ausersehen. Weil sie mit der Evolution vertraut sind, wissen sie auch, dass eine neue Kulturepoche seit dem 15. Jahrhundert anbrach. Andere Epochen gingen ihr mit gewaltigen Imperien in vergangenen Zeiten voraus. Sie zogen im Verlauf der Menschheitsgeschichte von Osten nach dem Westen: Der urindischen Kultur folgte die persische, abgelöst von der chaldäisch-babylonisch-ägyptischen; ihr folgte mit der Errichtung des Alexander-Reiches die hellenistische. Das Römische Imperium schloss sich an und nach ihm das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Die Öffnung Amerikas und dessen Durchsetzung mit dem englischen Volkselement lässt das Heraufziehen einer anglo-amerikanischen Kulturepoche erkennen. Diese Zusammenhänge kennt und damit rechnet das geheime Logentum. Daher soll, sich der besonderen wirtschaftlichen und politischen Befähigung des englischen Volkstums bedienend, eine von den USA ausgehende und mit dem römischen Imperium vergleichbare Suprematie, zugleich mit einer Weltwirtschaftshegemonie, errichtet werden. Es ist beabsichtigt, die Erde den USA untertan zu machen. Wie aber Rom eine Grenze zu Germanien errichtete, soll sich das anglo-amerikanische Weltreich gegenüber dem Slawentum abgrenzen, es jedoch wirtschaftlich beherrschen.«      

Inzwischen dürfen ernsthafte Zweifel aufkommen, ob die amerikanische Bevölkerung sich noch zu dem machen lassen möchte, was gewisse »führende« Gestalten aus ihr machen woll(t)en, oder ob sie sich vielfach nicht schon eher dahin entwickelt, was Carl Stegmann in seiner Studie »Das andere Amerika« beschrieb.  Die Spaltung zwischen diesen Bevölkerungselementen reicht weit vor die Gründung der USA zurück. Sie haben ihre Vertreter in denjenigen, die offen, weitherzig, interessiert und brüderlich, wie es nur Amerikaner sein können, auf andere Kulturen zugehen und sich und dem Prinzip »leben und leben lassen« verpflichtet fühlen, denen, die »mit dem Wolf« tanzen, und den Hardlinern, die schon bei der Rodung Amerikas zum Zwecke des Eisenbahnbaus sich rücksichtslos den Weg frei schossen und indianische Siedlungsgebiete »räumten«. Jene kriegsgewinnlerischen Exileuropäer, die schon von feinsinnigeren Asiaten des 17. Jahrhunderts als die »südlichen Barbaren« bezeichnet wurden. Die größten amerikanischen Friedensdemonstrationen – unterstützt von Kulturprominenz und Intelligenzia aller Sparten – seit dem Vietnamkrieg sprachen eine deutliche Sprache, die den »neuen Kontinent« auf eine Zerreißprobe stellt. Literaten, Künstler, Kriegsveteranen stellen sich in vielfältigen Aktionen und Aufrufen gegen die verlogene Regierungspolitik.

Demgegenüber fällt es nicht allzu schwer, in dem neopuritanischen und neocalvinistischen Geist, der sich als neue »Erweckungsbewegung« in gewissen Kreisen des konservativen amerikanischen Bürgertums breitzumachen scheint, mit seinem unnachgiebigen Missionsgebaren, eine geradlinige Verlängerung der Cromwell’schen »Welterlösung« zu sehen. Damals wie heute wird dabei die Meinung Andersdenkender ausgespart, schließlich gar unterdrückt und verfolgt – ein Prinzip, auf dem niemals Weltfrieden, zu dem freiwillige Selbstbeschränkung gehört, gegründet werden kann.

  Untersuchung der »offiziellen Begründungen« zur US-Irak-Invasion 2003

Die Begründungen, die als offizieller Anlaß zur Invasion des Iraks gelten sollten, zeichneten sich durch Konfusion, opportunistische Wechselhaftigkeit und Unhaltbarkeit aus, was ihren Alibi-Charakter unterstreicht:

 1.: »Kampf gegen den Terrorismus«: Wer die jetzige Einstellung gegen den Irak mit der Situation unmittelbar nach dem 11. September 2001 vergleicht, kann feststellen, dass dort nicht von einem Angriff gegen den Irak die Rede war. Die Aktionen damals galten vielmehr dem Taleban-Regime Afghanistans, den selbst eingesetzten »Marionetten« des Westens. Besondere Beziehungen von Bin Laden zum Irak konnten bislang auch nicht nachgewiesen werden, dagegen arbeiten amerikanische Journalisten an Recherchen zu den Beziehungen Bushs zur Familie Bin Ladens.

2.: »Präventive Zerstörung von Massenvernichtungswaffen«: Jürgen Todenhöfer (ehem. MdB der CDU) gibt zu bedenken, dass die Waffeninspekteure der UN in den 90er Jahren mehr Irak-Waffen vernichtet haben als der gesamte Golfkrieg 1991 mit über 100.000 Luftangriffen –  und zwar ohne einen Tropfen Blut zu vergießen. Hingegen sah die Weltöffentlichkeit und auch die USA »tatenlos zu«, als Saddam Hussein gegen Ende des 1. Golfkrieges (1980-88) gegen den Iran in  kriegsverbrecherischer Weise Giftgas einsetzte, als das Kriegsglück sich zu Seiten der Iraner neigte. Offenbar sollte der Irak gewinnen, gleich mit welchen Mitteln, um einen Riegel vor Khomeinis expansiven islamischen Fundamentalismus zu setzen. Auf die gleiche Weise wurden anschließend auch aufständische Kurden vergast – ohne kriegs- oder völkerrechtliche Konsequenzen! Das Waffenarsenal des Irak war zudem gut bekannt, denn es stammte ja vor allem aus europäischen, russischen und amerikanischen Lieferungen. (Juni: Inzwischen kam die Unsinnigkeit dieses Arguments heraus.)

3.: »Kampf gegen den terroristischen islamischen Fundamentalismus«: Der Irak ist kein besonders einseitig islamisch-fundamentalistisches Land, wie der Iran unter Khomeini aussah. Der irakische Außenminister Aziz war chaldäischer Katholik, die säkular orientierte Baath-Partei, mit der Saddam Hussein an die Macht kam und der er angehörte, wurde von einem syrischen Christen begründet. Das Zweistromland Mesopotamien ist einer der geschichtsträchtigsten Böden der Menschheit, auf dem Sumerer, Chaldäer, Babylonier, Assyrer, Zarathustra-Anhänger und verschiedene christliche Fraktionen ihre Spuren hinterließen und noch heute vertreten und toleriert sind. Es gilt als Geburtsland des Urvaters Abraham und der Streit zwischen Christen, Juden und Mohammedanern ist auf diesem Boden nichts als ein Bruderkrieg. Der Gegensatz zwischen der sunnitischen Minderheitenregierung und der schiitischen Bevölkerungsmehrheit trägt das seine zu religiöser Zersplitterung bei. In Hinblick auf den erwähnten Krieg gegen den Iran wirkt dies Argument mehr als absurd.

4.: »Befreiung der Bevölkerung von einem Terror-Regime«: Warum sollte dies nun besser gelingen als im Februar 1991, zumal damals die Attacke zur Befreiung Kuweits völkerrechtlich besser begründet war und ein Präventivschlag gegen ein Terror-Regime keine weltjuristische Grundlage hat und schon in Ruanda hätte angewendet werden müssen?

Hingegen hat die USA auch bei der schiitischen Bevölkerung keinen Kredit mehr, die damals zum Aufstand gegen den Diktator aufgerufen wurde, jedoch dann in grausamster Weise im Stich gelassen und den nachträglichen Repressalien und Folterungen von Saddams Republikanischer Garde ausgeliefert wurde. Dies kann nur als grausamster Zynismus gelten. –

 Es bleibt nur eine sinnvolle Erklärung: Das »Great   Design« der »neuen Weltordnung«, die eine gute Ausnutzung der schon von Kissinger begehrten Erdölfelder vorsieht, ist der einzig plausible Grund des so intensiven amerikanischen Engagements, das sich hinter Pseudo-Begründungen versteckt. Die Abenteurer der gar nicht mehr so populären amerikanischen Führungsclique müssen dabei aufpassen, ihrem Land nicht selbst den Stempel eines »Schurkenstaates« aufzudrücken, der sich nicht um Rechtsgrundsätze der »Weltgemeinschaft« schert. Wenigstens viele Exil-Iraker begrüßten eine amerikanische militärische Intervention, von der sie das Ende von Saddams Terror-Regime erhofften, dieses mittlerweile ungeliebten westlichen Protegés. Saddam ist inzwischen vertrieben, Chaos und Anarchie ist an die Stelle der Diktatur getreten. Symptomatisch ist, dass die US-Army als einzigstes das Erdöl-Ministerium schützte, als der Banden-Vandalismus in Bagdad begann. Hingegen wurden Journalisten-Hotels beschossen, und der Verdacht häufen sich, dass die Plünderungen der Bagdader Museen von langer Hand vorbereitet und organisiert wurden.

Andreas Pahl

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Eulenspiegel-Nachrichten
Betriebsgruppe

Seit Dieter auf der Mitgliederversammlung gesagt hat, dass er als Pächter ab 2004 aufhören will, ist sehr viel in Bewegung geraten, aber einen gangbaren Weg haben wir noch nicht gefunden.
Brigitte findet keine motivierten Mitarbeiter, mit denen sie gerne weitermachen will.
Fried-Günter hat sein Interesse bekundet, ab nächstes Jahr ein Restaurant als 5-Elemente-Restaurant weiterzuführen.
Dieter will eigentlich keine Gastronomie mehr machen. Er will 2004, im Juli und August nach Peru zusammen mit Elke und Oskar und verstärkt in den kultur- und sozialpolitischen Feldern arbeiten: Kulturstätte Eulenspiegel organisieren, jedermensch-Verlag machen, ArbeitslosenSelbstHilfe-Buchhaltung, Sozialpolitische Gesellschaft und AG SPAK, zudem wieder verstärkt Seminare oder Kongresse mitmachen, und darauf aufbauend weitere Tätigkeiten.
In dieser Situation hat Dieter gesagt, dass er die Pacht verlängere bis zwei motivierte EinsteigerInnen mit Bereitschaft zu unternehmerischer Mitverantwortung da sind und gemeinsam eine Weiterführung des Eulen-spiegels gewährleistet ist.
Wir haben jedenfalls Anzeigen aufgegeben um diese zwei Menschen zu finden.

Ansonsten ist bei uns viel in Bewegung. Wir arbeiten ja jetzt mit ziemlich viel Aushilfen, die dem Eulenspiegel und seiner Philosophie freundlich gegenüber stehen. Das heißt aber auch immer wieder einen Wechsel, neue Gesichter, Einarbeitung usw. Günther, Ursels Lebenspartner hat sein Interesse bekundet mitzuarbeiten. Das werden wir ausprobieren.

Wirtschaftslage

Dann gibt es die immer noch nicht gute Wirtschaftslage. Einem sehr mageren Winter folgte ein gutes Osterge-schäft, eine Zwischenbelebung, jedoch war Pfingstsonntag, einer der normalerweise umsatzreichsten Tage ein Totalausfall. Diese unerwarteten Ereignisse, die sich nicht erklären lassen, bringen weiterhin Unsicherheit mit sich. Eine Steuernachzahlung verschärft die finanzielle Situation unnötigerweise.

Aufruf unser Projekt zu unterstützen

Erfreulich sind die Reaktionen auf unseren Aufruf im letzten jedermensch. Die Kampagne für neue Kredite brachte bislang folgende Resultate: 8000 € neue Kredite. Und viertausend Euro alte Kredite wurden verlängert. Spenden sind bislang circa 500 Euro eingegangen.

Damit hat sich die Situation schon entspannt. Allerdings reicht es noch nicht aus. Deshalb ergeht die auch weiterhin dringende Bitte an alle Abonnenten und Freunde des Eulenspiegels nochmals in sich zu gehen und zu überlegen, ob sie das Projekt mit einem längerfristigen Kredit unterstützen können:

Es gibt zwei Wege unsere Arbeit zu unterstützen: 

1. Spenden für die ideelle Arbeit des Vereins, kleine, große, einmalige und regelmäßige, auf das Konto 100212652 bei der Bodenseebank Wasserburg (BLZ 73369821), Spendenbescheinigungen werden ausgestellt).

2. 20 x 1000 € - Kredite, kleinere und größere, mit einer Laufzeit von bis zu 10 Jahren, zinslos oder zinsgünstig, um die wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu überstehen. Der Verein bürgt in jedem Fall für die Kredite. Bitte sprechen Sie uns an.

Nähere Informationen im letzten jedermensch oder direkt bei Dieter Koschek in Wasserburg. Anruf genügt! 

Freundeskreistreffen

Am Samstag, 2. August und Sonntag, 3. August 2003 findet das Freundeskreistreffen des Eulenspiegel statt. Beginn ist Samstag um 10 Uhr. Enden werden wir am Sonntag gegen Mittag. Bitte teilt mit, ob ihr kommen könnt. Wir wollen natürlich über die Zukunft unseres Projektes mit euch diskutieren.

Ausstelllung

Nach der erfolgreichen Ausstellung von Jolanta Szalanska-Jensch, die mit ihren farbenfrohen Fischmotiven die Gaststätte zum Leuchten brachte, sind zur Zeit die Bilder der Lindauerin Mara Brod mit dem Titel „Feine Kerle“ zu sehen. Ab August wird Elke Martiny ausstellen und im Oktober und November der polnische Maler.Eduard Uminski.

Workshop Soziale Projekte

Auf Günthers Vorschlag bei der letzten MV hin, haben wir dazu eingeladen. Inzwischen haben sich zwei Projekte - „Nepomuk“ in Reutlingen und „Ruffini“ in München -  bereiterklärt mitzumachen. Der Workshop wird Ende September/Anfang Oktober stattfinden.

Ökotage im September

Wie im vergangenen Jahr werden wir im September wieder an der landesweiten Aktion zur Unterstützung der ökologischen Landwirtschaft teilnehmen. Es werden stattfinden: Rundgespräch zum Thema mit Anton Kimpfler, eine Exkursion zur Sennerei Sulzberg in Langen, eine Weinverkostung, eventuell wieder ein Herbstmenue sowie eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Stand der Bio-Wirtschaft im östlichen Bodenseeraum. Genauere Daten gibt es dann auf unserer Internetseite.

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NACHRICHTEN AUS CASE CARO CARRUBO

Juni 2003

“Die Verhältnisse erinnern am nächsten ans Paradies, wenigstens für die Finnen… Die Aussicht von der Terrasse ist unglaublich schön. Das Konzert der Vögel, der Duft der Blumen… Der Besuch bei den Hirten macht uns einen tiefen Eindruck. Wir fühlen uns wohl in eurem Gasthaus und behalten viele gute Erinnerungen für   “schlechte Tage”. Hoffentlich können wir noch mal hierher kommen. Die Tage an diesem Ort werden wir nicht vergessen, sowie auch den weisen Mann, den japanischen Mönch auf dem hohen Hügel. Unser tiefster Wunsch für die Welt: Frieden.”

Die ersten Frühlingsgäste, ein Bauer und seine Schwester, hatten nur drei Tage, Case Caro Carrubo kennen zu lernen. Trotz der kurzen Zeit wollten sie die lange Fahrt nach Sizilien machen, mit Flug, Zug, Bus und zu Fuß. Ein Bericht über unser Projekt im Mitgliedsblatt einer alternativen finnischen Bankinitiative weckte ihr Interesse her zu kommen. 

“Der erste Eindruck: Drei Menschen an einem runden Tisch, Gläser, Teller, Schüsseln. Darüber ein blühendes Kirschbäumchen wippend. Und darüber ein sanfter Frühlingshimmel. Eine seltene Kostbarkeit in diesem März/April 2003. Wir haben Elvi, Nunzio und Tom gefunden und werden aufs Freundlichste eingeladen, in die Runde zu kommen… Das tut gut. Was noch gut tut: Der kräftige Kräutertee, heiß, frisch von der Wiese und gut für die  Bronchien, die von Kälte und Sturm malträtierten, die Holzkloben im Ofen, die uns Wärme und behagliches Bullern geben, die guten Wände und das stabile Dach, die uns schützen vor den Sturmstössen und Regenschauern und der unglaubliche Farbenzauber, den die Wiesenblumen unter jedem Sonnenstrahl entfalten…”

Barbara und Helmut überraschten uns mit ihrem Besuch gerade zur Mittagszeit. Das Gästehäuschen war frei und unser Mittagessen reichlich genug - Fenchel und Salat aus dem üppigen Frühlingsgarten - fast so, als hätten wir ihre Ankunft “erahnt.” Die beiden hatten den Prospekt über Case Caro Carrubo von einer Freundin erhalten, die den ‘Eulenspiegel’ kennt.  Auch der Biologe Michael fand über den ‘Eulenspiegel’ zu Case Caro Carrubo. In diesen Tagen waren vom Hügel Gitarrenklänge und Gesang zu hören und die Flora wurde genau erforscht.  “Grazie per l’ospitalità.”

Ein Artikel über Case Caro Carrubo in einer Strassenzeitung von Milano brachten Pasquale und seine englische Freundin Helen eine Nacht zu uns. 

Jan: “Ich bin jetzt schon zum 3. Mal bei euch, und es ist für mich eigentlich schon wie eine 2. Heimat im Urlaub. Toll fand ich, dass wir diesmal so eine große Familie waren… Die heiteren Runden bei Tisch, das Spielen mit den Kindern, die Radtouren durch das noch nicht zu heiße Land, …meine Kommunikationsversuche auf Italiano bei Patrizia, Giovanni + Giovanni, Nunzios Eltern nicht zu vergessen, die nette Einladung zum Pizzabacken (üben), wir hatten viel Spaß miteinander.”  Und mit welchen Gedanken verabschiedeten sich die Mithelfer bei uns, die mehr als die Gäste an unserem alltäglichen Leben teilnahmen?  Tom mit den Gedanken von ‘Grossvater David Monongye (Hopi): “Wir alle sind Blumen im Garten des Grossen Geistes. Wir haben eine gemeinsame Wurzel: Mutter Erde. Der Garten ist schön, weil er viele Farben hat: die Farben der verschiedenen Traditionen und Kulturen.”   Und Matthias: “Vom Trockenklo bis zur Trockenmauer… und dazwischen wegzulesende Steine, rollende Steine, kleine Steine, flache Steine… Unkraut, tappi…und viel Mist. Mir hat der Schnellkurs in sizilianisch-biologisch-dynamisch-esoterisch-problematischer Landwirtschaft viel Spaß gemacht!…”  So wie Jan in seiner Eintragung erwähnte, sind wir seit ungefähr Anfang April sozusagen eine große Familie: Monika (langjährige Mitarbeiterin vom ‘Eulenspiegel’) mit ihren beiden Kindern Stefanie und Marcel machen noch bis Mitte Juni Urlaub bei uns. Kinderstimmen begleiten unsere tägliche Arbeit: “Was machst du? Kann ich dir helfen? Wo gehst du hin? Darf ich mitkommen?”… Viele, viele Fragen und richtiges Mittun: Unkraut bei den Bäumen hacken, Tiere füttern und pflegen, Maulbeeren, Aprikosen ernten, spülen… Oder sie nehmen spielend Anteil an unserem Leben: Stefanie’s ‘italienische’ Erzählungen den Hügelwiesen entlang, Hund sein, Katze sein, mit dem ‘Trecker ’ arbeiten, Gras ‘schneiden’… Alles, alles, was wir Erwachsenen machen, wird von den Kindern erstaunlich genau beobachtet und nachgemacht! Was für ein anderes Erfahrungsfeld bietet für die Kinder das Landleben im Unterschied zum Stadtleben.  Und wir drei ständigen CCC-Arbeiter- und BewohnerInnen? In dieser Zeit konzentrierte sich unsere “Friedensaktivität” auf’s “Kleine”. D.h. wir versuchten uns in der Zukunftswerkstatt (Methode nach Robert Jungk) für’s Projekt, wie für uns selbst als Individuum und für unsere Gemeinschaft. Über den Inhalt der “Werkstattarbeit”, was dabei auftauchte, Ausdruck suchte, zu welchen Ergebnissen und Entscheidungen wir kamen, werden wir einmal extra im ‘jedermensch’ berichten. Wir haben Wertvolles für uns in dieser Methode gefunden. Wir machen nun regelmäßig, einmal die Woche, die Werkstatt weiter. Wir erleben, dass uns dieser Prozess im Alltag trägt. Wir freuen uns darüber. 

Cari saluti dalla Sicilia calda calda! 

Elvi

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Symposion zur Sozialen Plastik in Achberg
Achberg, 19. Mai (NNA)
Werk von Beuys noch lange nicht ausgeschöpft
Neuer Jugendimpuls ? 
Mehr als 300 Menschen aus vielen Ländern besuchten Anfang Mai das fünfte Beuys-Symposion mit dem Titel "Pädagogik-Therapie-Heilung" in der Gemeinde Achberg im Dreiländereck am östlichen Bodensee. Einem jungen "Verein zur Förderung des Erweiterten Kunstbegriffs und der Sozialen Plastik" war es gelungen, das sechste deutschsprachige Beuys-Symposion nach Tagungsorten wie Budapest oder Basel ins westliche Allgäu zu holen. Joseph Beuys (1921-1986) wird von der Kunstgeschichte als der bedeutendste deutsche Künstler in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts angesehen. Dass er in den 70er und 80er Jahren regelmäßig an den Tagungen der Achberger Gruppe teilgenommen hat - einer Initiative, die einen dritten Weg jenseits von Kapitalismus und Kommunismus erforscht - ist weniger bekannt. So konnte die Tagung die geistigen Impulse aufnehmen, die Beuys in Achberg empfangen und weitergegeben hat. 
Nicht zuletzt durch die gründliche Vorbereitung - eineinhalb Jahre hatten die Veranstalter an dem Vorhaben gearbeitet - wurde die Tagung zu einem beachtlichen Erfolg. Einzelveranstaltungen wie die des Kinder- und Jugendtherapeuten Henning Köhler wiesen sogar zwischen 450 und 500 Besucher auf. Das Symposion wurde von der Gemeinde Achberg, dem Kulturamt des Landkreises Ravensburg und regionalen Initiativen wie der Humboldt-Haus GbR sowie der Petra-Kelly-Stiftung (Bayrisches Bildungswerk für Demokratie und Ökologie) unterstützt. 
20 Dozenten boten ein hochkarätiges Seminarprogramm. Die Veranstaltungen zeigten anschaulich, dass die Lebens- und Arbeitsleistung von Joseph Beuys noch lange nicht ausgeschöpft ist. Vor allem die Pädagogen erhielten wichtige Hinweise für ihre tägliche und zukunftsentscheidende Arbeit. Der Bogen wurde geschlagen von den Gralssuchern des Mittelalters (KarlHeinz Tritschler, Weimar) bis hin zu einer zukünftigen Aufgabe einer Sozialen Plastik (Johannes Stüttgen, Düsseldorf), in der alle Menschen ihren Platz haben und ihren selbstverantwortlichen Beitrag zur Gemeinschaft leisten können. Wertvolle Anregungen gaben auch die Leiter von Freien Schulen, die aus dem Beuys-Impuls gegründet worden sind, wie etwas Vera Kamaryt von der "Berliner Schule für Bühnenkunst", Karin Genoux von der "Freien Kunstschule Hamburg *FIU" oder Gisela und Stephan Stüttgen von der "Kleinen Welt" in Düsseldorf. 
Mutmachend waren aber auch die vielen kleinen Ansätze, den Erweiterten Kunstbegriff in eine Handlungspraxis des Alltags einfließen zu lassen. So sammelt der Stuttgarter Landschaftsingenieurs Johannes Steiner die Eicheln der ökologischen Beuys-Aktion in Kassel "7000 Eichen" ein, um das "Projekt Eichenfeld - Erste nachwachsende Generation" zu starten und Baumpaten für die Setzlinge zu suchen. 
Durchgehend wurde am Erdofen von Mario Ohno (Nürtingen) gekocht. Eine Gruppe arbeitete unter Anleitung von Fachleuten, um einen Weg im Argenthal durch eine naturnahe Weg- und Hangbefestigung wieder gangbar zu machen. So wurde nicht nur diskutiert und referiert, sondern das Symposion entwickelte sich zunehmend zu einem Festival mit vielen verschiedenen Events. 
Mit dem Symposion in Achberg setzte sich eine Entwicklung bei den Beuys-Tagungen fort, die man unter dem Motto "von der (Kunst) Theorie in die Praxis des alltäglichen Handelns" charakterisieren könnte. Nicht zuletzt dieser Wandel trug dazu bei, daß über die Hälfte der Teilnehmer jüngere Menschen waren. So konnte man in Achberg erleben, wie sich ein neuer Jugendimpuls artikuliert, der Entsprechungen aufweist zur Jugendbewegung des frühen 20. Jahrhunderts wie dem Wandervogel. Beuys mit seinem intuitiven, vorausschauenden auf den (Kunst)Begriff gebrachten Lebenswerk kann gerade der jungen Generation in einer immer unübersichtlicher und willkürlicher werdenden Zeit Orientierungshilfe und Wegweiser sein. 

Rainer Rappmann/News Network Anthroposophy
Info über: Verein zur Förderung des Erweiterten Kunstbegriffs und der Sozialen Plastik,
Claudia Müller & Rainer Rappmann,
www.fiu-verlag.com . Telefon: 07528/7734

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Schwerpunkt Freie Schule

Gegen Schematisierung des Unterrichts und Verbeamtung der Schule wehrt sich das Kind

Man wird zugestehen müssen, wenn man die kindliche Natur richtig kennt, dass die Unaufmerksamkeit des Kindes gerade gegenüber einer derartigen Unterrichtsart ihre feineren Gründe hat. Es strebt zurück von dem Buche, von der intellektualisierenden Anschauung, durch die Kraft der Weisheit, die das Kind vor Schädigung bewahren will. Es ist eine Selbsthilfe des Kindes, was als Unaufmerksamkeit eintritt. Das Kind entzieht sich den nivellierenden Einflüssen eines derartigen Unterrichts. Unterrichtet man von der ersten Stunde bis zur letzten in der geschilderten Art, dann wird der Versuch gemacht, durch Unaufmerksamkeit sich einem derartigen Unterricht zu entziehen.

Wie soll nun aber dieser Versuch gelingen innerhalb einer Schule, die auch eine Disziplin hatte! Nicht nur, dass in der eben angedeuteten Art und Weise der Lehrstoff herangebracht wurde; dem Kinde wurde auch zugemutet, dass es innerhalb eines Vormittages drei bis vier mal sich umstellen musste in bezug auf den Lehrstoff, so dass es gestürzt wurde von der einen Stufe in die andere hinein. Wer deutlich die Entwickelung zu verfolgen wusste, der konnte erkennen, wie in der letzten Zeit das Streben vorhanden war, die Stunden noch weiter zu kürzen, auf 45 Minuten, kinemtogra-phisch den ganzen Unterrichtsstoff vorbeiziehen zu lassen. Die Gliederung übertrug sich noch auf die einzelnen Stunden...

Lassen Sie sich klarmachen, was ein solche Lehrer innerhalb einer einzigen Unterrichtsstunde von 45 Minuten zu leisten hat. Der Stoff soll an das Kind herangebracht werden in sechs Phasen: Erstens: Anknüpfung; zweitens: Vertiefung, und nach der Vertiefung kommt die Beseelung des Stoffes; dann weiter nach der Beseelung kommt die Stufe der Verfügbarkeit des Stoffes. Sie schließt wenig in sich. Dann kommt die Stufe der Stoffbemeisterung, Stoffverwertung innerhalb der Stunde selbst. Aber das wiederholt sich ja viermal noch am selben Vormittag innerhalb der verschiedenen Gebiete. – Sie werden mir zugestehen, wenn ich sagen muss, unsere Kinder können nach einer derartigen Methode, die die Kinder misshandelt, nicht behandelt werden. – Wenn sich solche misshandelten Kinder den Wirkungen des Unterrichts, des Lehrplanes, der verlangt, am Dienstag, den 11. Mai, muss in allen Klassen dies und dieses Ziel erreicht werden, entziehen wollten, was geschah da?

Dann trat die Disziplin in Kraft. Sie arbeitete von der allerersten Schulstunde mit Mitteln, die in tiefer Weise das ganze moralische Leben des Kindes verseuchen mussten. Das Kind, das gewohnt war, sich natürlicherweise zu äußern, sah sich auf Schritt und Tritt dem Lob oder Tadel gegenüber. Schematisierung trat ein. Die Kinder stellten sich von vorneherein auf die Möglichkeit ein, gefragt zu werden, so dass sie nur in gewissen Fällen mit der Aufmerksamkeit beim Unterricht dabei waren. Wenn das Kind bis dahin gewohnt war, sich frei zu äußern, und es das in der Schule ebenso tun wollte, so erlebte es, dass es abgeschnitten wurde durch jene Rüge, die es immer erfuhr, wenn es in solcher Weise an den Lehrer herantreten wollte; es hatte Strafe zu gewärtigen, die die allergrößten Bedenken ins kindliche Seelenleben senken musste. Die Kinder mussten dann besondere Schulaufgaben machen, anstatt dass ihnen von vorneherein die Anschauung wachgerufen worden wäre, es sei eine Freude, in der Schule arbeiten zu dürfen. So wurde die Schulaufgabe zur Strafe gestempelt. Das Kind bekam eine eigenartige Auffassung vom Unterricht solcher Art. Der ganze Unterricht hat etwas mit einem Strafsystem zu tun. Es äußert sich in jenen organischen Beeinträchtigungen, die das kindliche Wachstum hemmen, dass im Kinde verschiedenes zur Wucherung kam, was sonst sich gesund entfaltet hätte.

Ich möchte darauf hinweisen, dass eine ganz bestimmte Erscheinung der späteren Schulstufe damit zusammenhängt. Unsere Schüler stehen ironisch gegenüber dem gesamten Schulwesen, und das durchsetzt das ganze Verhalten des Schülers zu seinem Lehrer, zu seiner Schule. Sie wissen alle aus ihrer Schulzeit her, wie es Vergnügen bereitet hat, über die Lehrer zu urteilen. Dann die Erscheinung der Schülerselbstmorde; immer mehr treten diese drohenden Erscheinungen hervor, und immer ratloser sieht sich die Verwaltung gegenüber diesen Erscheinungen. Wirkliche Lebenskräfte, die sich betätigen wollen in einem naturgemäßen Unterricht, sind zurückgedämmt worden. Alles was so zurückgestaut wird, das bewirkt jene Nervosität, die wir eine Zeitkrankheit nennen, die sich auf dem Gebiete des Schulwesens offenbart.

Nun fragen wir uns, was wurde erreicht und bis zu einem bestimmten Abschluss gebracht, wenn man von der untersten Schulstufe bis zur letzten Stufe geht? Unsere Volksschüler verlassen die Schule mit dem fünfzehnten Jahr. Menschen, die viel mit Proletariern zu tun hatten und die häufig den arbeitenden Menschen ins Gesicht gesehen haben, werden die Erscheinung bemerken, dass etwas wie eine gewisse Herbheit sich ausprägt im Antlitz dieser Menschen. Es ist viel darüber gesprochen worden, wenig gedacht. Aber man hat nicht beobachtet, dass dies ja gar nicht anders sein könne, dass dies eine naturnotwendige Folge davon ist, dass mit dem vierzehnten Jahre im Menschen das Empfindungsleben frei wird, und von diesem Zeitpunkt ab war für die Mehrzahl unserer Volksgenossen die Bildung abgeschnitten. Wie kann es anders sein, wenn Empfindungsfähigkeiten nicht zu bildenden Kräften zu werden vermögen im Schicksal dieser Menschen?

Die anderen, die nun weiter fortgeführt wurden, die wurden erst recht hineingeführt in jene alte, lateinische Methode, von der ich eingangs sprach. Das Studium der klassischen Sprachen trat mehr in den Vordergrund, oder das Studium der Naturwissenschaften, die im Aufbau auch nur das Erbe des Römischen Reiches und Rechtes angetreten haben. Die Folge davon war, dass wenn aus der Volksschule notwendig in ihrer Entwickelung zurückgehaltene Menschen austraten, so traten von dem humanistischen Gymnasium Menschen heraus, die später die Vertreter des humanistischen Bildungsideals werden sollten. Es wurde dies als eine Errungenschaft dargestellt, dass man Sprachen treiben könne, die man um ihrer selbst willen treibe. Man bemerkte aber nicht, dass die Beschäftigung mit derartigen Sprachen zurückstrahlt auf den ganzen Menschen, dass die Menschen, die sich in vielen Stunden in die griechische Sprache versenkt hatten, unfähig wurden, die deutsche Sprache und die Sprache der Tatsachen zu verstehen. Jene Menschen, die von der Realschule ins Leben traten, die gaben ab die späteren Realpolitiker, die immer pochen auf Tatsachen, pochen auf Gesetze aller Art, die aber nicht sehen, wie die Wirklichkeit beeinflusst wird von ganz anderen Strömungen als denjenigen, die sie ihre Gesetze nennen.

Alle diese drei Schulaustritte dürfen wir so ins Auge fassen, dass wir die verhängnisvolle Wirkung so arbeiten sehen, dass die Kräfte hintangehalten werden, die organbildend sein können und Bildung beeinflussend im tiefsten Sinne des Wortes, dass anderseits die Kräfte, die nicht einströmen konnten, wuchern mussten. Dort, wo ein Gefühlsleben nicht gepflegt wird, hat es die Neigung, zur Sentimentalität zu gelangen auf Schritt und Tritt.

Der Wille, was wurde aus dem? Entweder er wurde so gebrochen, dass wir jene Ruinen von Menschen haben, die heute auf verantwortungsvollen Posten stehen, oder auf der anderen Seite jene brutalen Gewaltmenschen, die in die Welt so hineintreten, dass sie alles unter ihren Füßen zusammenstampfen, eine Folge davon, dass der Wille gar nicht zu einer Pflege kommen konnte.

Diese Erscheinungen sind häufig zusammengefasst worden. Kritik ist in Hülle und Fülle ausgeübt worden. – Als sich der Vorgang der Weltrevolution abspielte, da war die Meinung entstanden: Jetzt wird aus dem Brodem der kochenden neuen Kräfte etwas hineinfließen können, etwas wie eine neue Lebensströmung in das Schulwesen selbst; man wird dazu kommen, die Kritik aufzupeitschen zu einer gestaltenden Tat. – Seit jenen Tagen ist man nicht müde geworden, immer wieder das Wort „Einheitsschule“ zu gebrauchen als einen Titel für die Bestrebungen, die meinten, sich mit der Zeit in Verbindung zu setzen. Aber wenn wir die Auslassungen der Gesetzgebung beobachten, so werden wir nicht umhin können zu sehen, was wie eine schwarze Gefahr uns gegenübertritt. Wir sehen, dass zwar jene Gliederung der Schule, wie sie althergebracht war, äußerlich verändert worden ist, dass aber, weil das was man Schulkonzession nennt, viel ausgiebiger als sonst noch zur Geltung kommen möchte, die Gefahr als drohend bezeichnet werden muss. Wir sehen, dass die Volksschule zu einer Konfessionsschule, einer Parteischule und Schule von bestimmten wirtschaftlichen Gruppen werden kann, dass man noch weniger als früher bedacht ist, auf das allgemein Menschliche Rücksicht zu nehmen, jetzt mit aller Eindringlichkeit des juristisch arbeitenden Beamtenapparates.

Sie werden finden, dass der Beamte innerhalb der neuen Zustände nicht seine Bedeutung verloren hat, dass er viel mehr wirken kann, dass er viel mehr zersetzen kann, als innerhalb des alten Systems. Beachten Sie, mit welcher Eifersucht gewacht wird, dass alle Verfügungen beachtet werden. Gegenüber diesem brutalen Willen wird man nicht umhin können zuzugeben, dass es nicht leicht möglich werden wird, jenes Bildungsideal durchzuführen. Wir werden gewärtig sein müssen, dass mehr als früher bestimmt werden wird, was als Unterricht ans Kind herangebracht werden soll, namentlich im Geschichtsunterricht.

Was wird die Folge weiter sein? Die Folge wird sein, dass der Beamtencharakter des Lehrers sich noch mehr ausprägen wird.

Alledem gegenüber steht unsere Welt von heute, die Not der Zeit, die noch nach ganz anderem verlangt als demjenigen, was man als einen schwachen Zukunftsschimmer ausgießen möchte über das Schulwesen und darüber hinaus. Warum können die Neuerungen nicht zu jenem Ziele führen? Wir kommen zu einem eigenartigen Gesetz: Wenn irgendwo etwas gedacht wird, und es sich nicht auszugießen vermag, weil es nicht durchdrungen ist von der ganzen Energie des Menschenwesens, so wirkt es so, dass dies nicht eine Verminderung des Negativen ist, sondern sich verbindet mit den negativen Zuständen. Es fließt unterirdisch da hinüber. So hat es Lichtwark ausgedrückt: Teilreformen bewirken nur eine Verstärkung der bereits bestehenden Tendenzen. – Alles andere ist zu erwarten als eine Neugestaltung. Wir können nur eine weitere Verstärkung der schon vorhandenen Bestrebungen erwarten.

Nun, dieses Bild habe ich vor Ihnen aufgerollt, um Ihnen deutlich werden zu lassen an dem, was mir nicht übertrieben scheint, was aus dem persönlichen Leben vieler Lehrender schicksalsmäßig beseitigt werden möchte, weil wir, wenn wir jenes Bestreben unserer Freien Schule richtig ins soziale Leben der Zeit hineinfließen lassen wollen, wissen müssen, welche Gefahr uns von dem alten Schulwesen droht.

Rudolf Steiner am 11. Juni 1920 (Gesamtausgabe 298)

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Verschlimmerung statt Reform

Im Vergleichstest hatten die bundesdeutschen Schulen verhältnismäßig schlecht abgeschnitten. Vornehmlich betroffen ist die staatlich geführte Schule. Regionale Unterschiede begründen sich damit, dass die Schulführung in der Aufsicht der Bundesländer liegt, bei den sogenannten Kultusministerien.

Als Reaktion darauf gab es alsbald Fürsprecher einer stärkeren Zentralisierung. Auf Bundesebene sollen einheitliche Prüfungskriterien für einen gleichmäßigen Bildungsstand sorgen. Dieser ist jedoch (nach Ansicht mancher Bildungsforscher und vieler Betroffener) in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Wie und nach welchen Standards ihn also anheben?

Nun gibt es etwa in skandinavischen Ländern pädagogische Formen, welche ein mehr kindgerechtes Lernen unterstützen. Diese wurden auch sogleich sorgsam in Augenschein genommen. (Manches davon hat durchaus stärkere Anklänge an die auf die kindliche Entwicklung bezogene Waldorfpädagogik.) Also wäre jetzt hierzulande ein Schub in Richtung einer mehr kindgemäßen Pädagogik denkbar. Dahin gehen auch jene Bestrebungen, die Autonomie der einzelnen Schule gegenüber staatlichen Direktiven zu stärken.

Als eine Gegentendenz zu dieser Entwicklung tritt nun allerdings jemand auf den Plan, der eine neue Vormundschaft über das Schulwesen anstrebt: die Wirtschaft. Nachdem nun manche staatliche Ansprüche bröckeln, weil sie immer offensichtlicher eine schulische Entwicklung mehr behindern als fördern (und die kompetentesten Pädagogen immer eine Freiheit der Schule gefordert haben), will nun das wirtschaftliche Management sozusagen auch die Bildung übernehmen.

Nicht nur, dass überhaupt kommerziell ausgerichtete, messbare Strukturen eingeführt werden sollen, was unter dem irreführenden Namen „Qualitätsmessung“ beziehungsweise „Qualitätssicherung“ läuft. Jetzt hat die wohl bekannteste Unternehmensberatung ihr Konzept vorgestellt, die deutschen Schulen von Grund auf zu ändern. Nach einjähriger Arbeit wurde ein großangelegter Kongreß in Berlin abgehalten im Beisein vieler Träger von Rang und Namen.

Zwar bietet es in manchen Bereichen eine Lockerung gegenüber einer staatlichen Ordnungsschule, doch sind starke zentrale Vorgaben eingeplant. Das reicht bis dahin, eine Schule zu schließen, die den Anforderungen nicht entspricht. Zwar ist der Umgangston lockerer, doch bleibt man an der zentralen Bewertung hängen. Der Weg zu den genormten Zielvorstellungen ist nur etwas anders.

Damit zeigt sich, dass das Wesen der kindlichen Schule von dieser Seite überhaupt nicht verstanden wird. Letztlich werden wieder mal nur Methoden der Erwachsenenwelt in das hineinverlagert, was etwas ganz anderes ist. Eine kindgerechte Schule hingegen hätte allein jenes Individuum zum Ziel, das die gegenwärtige Welt begreifen lernt, ohne schon von ihr vereinnahmt zu werden. In einem Freiraum der Ungezwungenheit kann die Auseinandersetzung mit ihr erfolgen. Nicht Anpassung an das Bisherige, sondern kreatives Gegenüberstellen heißt Schule. Diesen aktiven Freiraum zu sichern ist Aufgabe des Pädagogen. Er muß seine Schützlinge ebenso vor staatlichen Normierungsforderungen schützen wie auch vor den neuen Vorstellungen aus der Wirtschaft. Letztere haben eben anzunehmen, was ihnen aus der Schule entgegenkommt, ohne dem vorzugreifen.

Es ist gegenwärtig eine wichtige Frage, ob ein selbständiges Schulwesen noch zu schwach ist und zu wenig selbstbewußt auftritt. Anstatt seine eigene gesellschaftliche Stellung zu beziehen, nimmt es dann nur einen anderen Vormund an.

Jürgen Kaminski

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Terror gegen die Schüler

Am deutlichsten wird diese „Verrechtlichung“ der Pädagogik im Umkreis des Abiturs: Die ständig wachsende Flut von rechtsgültigen Vorschriften über Meldungen, Planungen, Klausuren, Abitursvorbereitung, Anforderungsniveaus, Prüfungsvorschläge, Geheimhaltung, Aufsichten, Kontrollen, Korrekturen, mündlichen Prüfungen, Prüfungskontrolle und Prüfungsauschüsse fordert von jedem beteiligtem Lehrer höchste Wachsamkeit, damit er nicht versehentlich irgendeine Rechtsvorschrift verletzt. So müssen etwas die Noten der schriftlichen Abitursklassen wochenlang geheim gehalten werden, obwohl es von diesen Noten abhängt, ob ein Schüler auch noch mündlich geprüft wird. Rein juristisch ist also der Lehrer in der absurden Lage, Schüler auf eine Prüfung vorzubereiten, die aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht stattfindet – und dies nicht durchblicken zu lassen. Selbst die Räume du Termine für die mündliche Prüfung dürfen aus unerfindlichen Grünen (oder fürchtet man die Planung und Installation unerlaubter Hilfen?) erst am Prüfungstag mitgeteilt werden.

Die mündlichen Prüfungen mit Vorsitzendem, Prüfer und Protokollführer gleichen durchaus einer Gerichtsverhandlung, nur das hier der Schüler nicht wegen eines Vergehens, sondern wegen Verdachts auf Dummheit angeklagt erscheint.

Der Unterschied liegt im Wesentlichen nur darin, dass er sich selbst verteidigen muß, dass es keine mildernden Umstände gibt und das sein Schweigen die Verurteilung zum Verlust von Sozialchancen wegen nun erwiesener Dummheit  nach sich zieht. Sicher klingt das übertrieben, und die juristische Atmosphäre kann durch persönliches Engagement natürlich abgemildert, ja verwandelt werden. Sie lauert aber ständig im Hintergrund und kann plötzlich wieder ganz das Feld beherrschen, wie folgenden Extrembeispiel zeigt:

Im ersten Teil der mündlichen Prüfung soll der Schüler 15 Minuten lang ein selbständiges Referat über eine gestellte Aufgabe halten; nun kann er eventuell in die völlig falsche Richtung loslegen, kann z.B. den Ansatz in der Mathematik so machen, dass alles Weitere absolut sinnlos wird. Nun wäre es das natürlichste, dass ihn die Prüfer darauf aufmerksam machen. Es gibt aber Schulen, wo die Selbständigkeit der Darstellung so interpretiert wird, dass den Prüfern jegliche Korrektur verboten ist, da es eine Hilfe wäre, die nicht alle in der gleichen Weise bekommen, was Klagen nach sich ziehen könnte. Die anwesenden Prüfer müssen also den Schüler die volle Zeit ins „Unglück“ rennen lassen“ – hin zu einer ungenügenden Leitung für diesen Prüfungsteil. Dieses Verhalten widerspricht aber jeder Pädagogik, die diesen Namen verdient, und ist nicht menschlich. Kann man da nicht verstehen, dass ein Schüler, wenn ihm derartiges nachträglich klar wird, Hassgefühle gegen die Prüfer entwickelt?
Hermann Bauer, Info 3, 1/2003

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Mit Kindern und Jugendlichen Schule neu denken

Neueren Erhebungen zufolge brechen in der Bundesrepublik Deutschland immer mehr Kinder und Jugendliche aus der Familie aus, verlassen Angebote der Schule und der Jugendhilfe und suchen eine neue Orientierung auf der Straße. In Deutschland wird deren Zahl auf 60000 bis 70000, in Feiburg auf 300 bis 400 geschätzt.

Angesichts dieser dramatischen Entwicklung stellte im Jahre 1997 das Freiburger Staatliche Schulamt einen Lehrer als Strassensozialarbeiter ein. Die verantwortliche Arbeit in diesem wohl schwierigsten Feld der sozialen und pädagogischen Arbeit wird bislang von drei Fachleuten aus Schulpädagogik, Sozialpädagogik und Sozialarbeit geleistet.

Grundlage der Arbeit ist das aus Lateinamerika stammende Konzept der StraßenSchule. Hierbei ist nicht ein Schulangebot für auf der Straße sich aufhaltende Kinder gedacht. Auch will StraßenSchule die Kinder und Jugendlichen nicht von der Straße holen. Vielmehr sollen die von Familie und Elternhaus sich wegbewegenden Kinder und Jugendlichen über ein Angebot der Straßensozialarbeit Begleitung und neue Orientierung erhalten. Gleichzeitig will man von ihnen erfahren, wo und auf welche Weise sich Schule und Jugendhilfe verändern können.

Mit einem gezielt angesetzten sozial-, arbeits-, heilpädagogischen, aber auch schulischen Begleitangebot will das Freiburger Pilotprojekt StraßenSchule die von Kindern und Jugendlichen ausgehenden Denkanstöße, ihre Erfahrungen, die neuen sozialen Organisationsformen und Inhalte eines menschlichen Überleben-Lernens aufgreifen und weitergeben. Davon ausgehend sollen neue Ansätze in der Familie, der Schule und auch der Jugendhilfe entwickelt und zu verwirklichen versucht werden.

Aus dieser Sicht kann StraßenSchule sich auch als eine Schule für Erwachsene verstehen. Erwachsene sollen die Andersartigkeit ausgegrenzter oder sich ausgrenzender Kinder und Jugendlicher neu erkennen und verstehen lernen. So kann eine bedrohliche Auseinanderentwicklung von Gesellschaft und sich zu Straßenkarrieren hinentwickelnden Kindern und Jugendlichen gegebenenfalls aufgehalten werden.

Erste, vorzeigbare Arbeitsergebnisse liegen bereits vor. In Freiburg wurde auf deren Basis ein präventives Angebot einer Werkstattschule eingerichtet.

Das Projekt Werkstattschule richtet sich vorrangig an 10 – 13jährige Kinder, die sich aufgrund ihrer familiären und schulischen Biographie zu Straßenkarrieren hinzuentwickeln drohen. Ihnen werden Angebote sozialpädagogischer, heilpädagogischer und insbesondere arbeitspädagogischer Art gemacht. Hierzu gehören Arbeiten auf dem Bauernhof, Feuerholzzubereitung im Wald, die Produktion von Kinderspielzeug, die Errichtung eines Ziegenstalls in einem Tiergehege und anderes mehr. 

Um der Arbeit auf der Straße und der Werkstattschule einen verlässlichen Rahmen zu geben, wurde am 20.9.1999 in Freiburg der Verein StraßenSchule gegründet. Dieser will durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit kindliche Entwicklungen zur Straße offenlegen. Er setzt sich dafür ein, dass kindliches Aufwachsen nicht von Ausgrenzung und Entwicklung zu Straßenkarrieren bestimmt wird.

StraßenSchule will erreichen, dass allen in unserem Land aufwachsenden Kindern und Jugendlichen zu einer menschlichen und vor allem lebenswerten Zukunft verholfen wird.

Uwe von Dücker / Freiburger StraßenSchule e.V.Eckgasse 5, 79336 Herbolzheim

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Lernen in Freiheit

Das Stall-Projekt in York (Stables Project) sollte ursprünglich für 16- bis 25jährige Jugendliche sein. Inzwischen sind es hauptsächlich 15jährige, die daran teilnehmen. Es knüpft an Venture an, einer von Schülern mitgestalteten Oberstufenarbeit der Waldorfschule (Steiner-School) am dortigen Ort.

Der jetzige Name kommt daher, weil ein umgebautes früheres Stallgebäude zur Verfügung steht, wo intensive Studien ablaufen über Physiologie des Menschen, Psychologie, Kunstgeschichte, Erdwissenschaften und einiges mehr. Meistens sind es ungefähr 10 bis 14 Studierende. Auch Ältere können dazukommen. Begleitet wird das von verschiedenen Lehrenden, unter ihnen auch Linda Fryer, einer ehemaligen Lehrerin der Steiner School, einem Sohn von ihr und einer Kollegin. Auch künstlerisches und handwerkliches Tätigsein gehört dazu.

Die Studierenden haben es in einer herkömmlichen Schule manchmal nicht mehr ausgehalten. Oder sie besuchen daneben noch einzelne schulische Kurse, um bestimmte Prüfungen abzuhalten. Inzwischen kam sogar die Anfrage von einer Schule, jemanden auszubilden, damit er dann dort wieder eine Prüfung ablegen kann.

Eine Bemühung vom Stables Project ist auch, die städtische Umgebung anzusprechen. So wurden Bewohner fotografiert und eine Ausstellung darüber gemacht. Plötzlich waren sie selber gewürdigt, statt dass immer zu besonderen „Stars“ in den Medien aufgeschaut wird. Über derartige Studienarbeiten werden dann umfangreiche Dokumentationsmappen ausgelegt.

Es kann auch sein, dass mal Beteiligte bis nach Rumänien reisen und an einem Hilfsprojekt für dortige Roma-Kinder („Zigeuner“) teilnehmen.

Die Finanzierung geschieht vor allem durch einen Sponsor und ein wenig durch Einnahmen über einzelne Kurse sowie zusätzlich Spenden oder nun auch staatliche Gelder übers Prüfungsvorbereiten. Außerdem beginnt das Beteiligen an einer Komplementärwährung (Lets), was auch hilft, lokale Verbindungen zu fördern. Hier noch die Anschrift:

The Stables Project, 10a Nunmill Street, York Yo23 I/U
A.K.

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Mit Kinder in eine bessere Welt

Kess Waaldijk: Janusz Korczak – Vom klein sein und groß werden. Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer. 190 Seiten

Der 1879 in Warschau geborene Arzt und Pädagoge ist durch seine Opfertat berühmt geworden, als er 1942 mit seinen Waisenkindern das Schicksal in Treblinka teilte, dem Vernichtungslager in Polen.

In diesem Bericht geht es um ein Verständnis der eigenwilligen und oft widersprüchlichen Theorien des Janusz Korczak, der ursprünglich Henryk Goldszmit hieß und als polnischer Jude das schwere Schicksal des Landes in den schlimmsten Kriegsjahren erlebte; der Israel besucht hatte und doch im Ghetto ausharrte, wo das „Haus der Waisen“ stand, das dank seiner Genialität eine demokratische Arbeitsweise pflegte, wo er und die Mitarbeiter sich dem Gericht der Kinder fügten, um wahre Ordnung aufrecht zu erhalten. Zwischen der Tradition starrer Reglementierung in typischen Heimen seiner Zeit und der aufkommenden antiautoritären Art der Erziehung steuerte Korczak einen Kurs, der auf dem Verständnis der Einmaligkeit jedes Kindes beruhte; wo Achtung und Liebe die Waage hielten.

Er ließ kein System zurück und es wäre unmöglich, heute seine Methode zu kopieren, und doch macht Kees Waaldijk es klar, dass wir unendlich viel von diesem Denker und Praktiker lernen können, vor allem eine Schulung unserer Beobachtungsfähigkeit im Hinblick auf Kinder. Die „Arbeit des Wachsens“ muß jedes Kind alleine vollbringen, darin dürfen wir es nicht stören, doch sind klare Regeln deshalb notwendig, weil sonst die Kleinen und Schwachen leiden würden.

„Erwachsene haben allen Grund, in bezug auf diese kaputte Welt dem Kind gegenüber bescheiden zu sein...Kinder bedeuten neue Chancen – nicht um die bestehende Welt aufrecht zu halten, sondern um sie fortzuentwickeln.“ Korczak wollte in den Waisen die Sehnsucht nach einer besseren Welt wecken.

Es war Korczak wesentlich, Kinder weder sentimental zu verhimmeln, noch sie zu verdammen. Er sagt: „Unter den Kindern gibt es ebenso viele schlechte Menschen, wie unter den Erwachsenen“, und er fordert von Mitarbeitern Nüchternheit und Realismus. Er kannte die Armenviertel Warschaus und sprach von Kindern als einer besitzlosen, unterdrückten Klasse, stand aber dem Kommunismus fern und kritisierte die Kapitalisten, die noch keine „menschliche Gesellschaft“ geschaffen hatten.

Interessant ist die Forderung an Mitarbeiter: „Sei du selbst, suche deinen eigenen Weg. Lerne dich selbst kennen, ehe du Kinder zu erkennen trachtest. Mache dir klar, wo deine Fähigkeiten liegen, ehe du anfängst, den Kindern den Bereich ihrer Rechte und Pflichten abzustecken.“

Trotz starker Betonung der Individualität, fördert er Gemeinschaftsbildung durch Feste, zum Beispiel den Tag des ersten Schnees, Sommerlager und viel Erzählen , Spielen und Singen. Er schreibt: „Der Juli war ein wunderbarer Monat – zwanzig neue Kinder zu entdecken wie zwanzig neue Bücher, die in einer kaum bekannten Sprache geschrieben sind, Bücher die etwas beschädigt sind, denen einige Blätter fehlen, ein Rätsel.“ Es ist ein meisterhaft geschriebenes Werk.

Sibylle Alexander 

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Der Zukunft Türen öffnen 

Die Freie Schule Elztal ist eine auf zwölf Jahre angelegte Schule. Nach der 8. Klasse endet für die Schülerinnen und Schüler die gemeinsame Zeit mit ihrem Klassenlehrer oder ihrer Klassenlehrerin. Daran schließen sich die 9. und 10. Klasse mit einem eigenen Konzept an. Dieses wurde erst vor wenigen Jahren auf der Grundlage bestehender Erfahrungen mit Jugendlichen von einer Arbeitsgruppe entwickelt. Die Klassen 11 und 12 gibt es zur Zeit nicht, LehrerInnen und Eltern arbeiten jedoch an Konzeption und Umsetzung.

Wir baten einen der derzeitigen Klassenbetreuer, Dieter Wiedner den besonderen Gang der 9. und 10. Klasse - im Zusammenhang mit der gesamten Schulzeit - zu beschreiben.

Welche grundlegenden Ziele hat sich die Freie Schule Elztal gesetzt?

Ganz allgemein kann ich sagen, dass wir versuchen in dem geschützten Rahmen der Schule den Kindern Entwicklungsraum und -zeit zu geben. Nicht was die Gesellschaft von ihnen erwartet, soll im Vordergrund stehen, sondern die jedem Menschen innewohnenden Anlagen und Fähigkeiten sollen zur Reife kommen. Welche Bedürfnisse es auf diesem Weg und in den jeweiligen Altersstufen zu befriedigen gilt, wollen wir erspüren, um diesen Lebenskeimen die entsprechende Nahrung zu geben. Dabei ist besonders in den letzten Jahren deutlich geworden, dass die Kinder das langsame und behutsame Vorangehen in den ersten drei Jahren zur Nachreifung von motorischen und sozialen Fähigkeiten nützen und benötigen.

Von Klasse 4 bis 8 ist dann verstärkt Zeit zur Begegnung mit den Kulturtechniken sowie zur Auseinandersetzung mit dem Bildungsstoff. Auch dies geschieht nicht mit „abgepacktem“ Wissensstoff, sondern so lebensnah wie möglich. Wir versuchen ganz am Phänomen zu bleiben, also an dem, was durch die Sinne erfahrbar werden kann, zu begreifen, zu beschreiben. Die Einfachheit der verwendeten Mittel ist uns dabei ein Anliegen, denn wie im Kleinen so ist es ja dann im Großen.

In den Klassen 9 und 10 haben wir zum Ziel, dass die Jugendlichen einen ersten Blick auf sich selbst wie von außen richten können, auf ihre Fähigkeiten. Was kann ich, was kann ich nicht? Und eine bewusste Begegnung mit der Welt findet statt, und zwar mit der Arbeitswelt sowie mit dem Staatsschulsystem. Mit dem Gang in Klasse 9 und 10 haben wir eine Art Drehscheibe geschaffen zwischen der Klassenlehrerzeit und dem weiteren Lebensweg in Berufsausbildung oder weiterer Schullaufbahn.

Wichtig ist uns über die ganze Schulzeit im Maxhaus die relativ offene Unterrichtssituation. Die Schülerinnen und Schüler gestalten von Beginn an ihren Entwicklungsweg und den der Klasse mit. Dies geschieht zunächst unbewusst, indem der Klassenlehrer, oder die Klassenlehrerin dies „erlauscht“, später findet immer bewusster dieser Dialog zwischen Pädagogen und Heranwachsenden statt, bis die Schüler in 9 und 10 deutlich eine gestaltende Rolle haben. So entwickelt sich über die gesamte Schulzeit soziale Kompetenz.

Welches sind die wesentlichen Veränderungen in den Klassen 9 und 10?

Die ersten acht Jahre sind eine Zeit intensiver Beziehung zwischen der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer und den einzelnen Kindern. Sie bildet sozusagen eine Ergänzung zur elterlichen Erziehung, ist schützend, wärmend, führend. Am Ende ist ein Ablösungsprozess der14- bis 15jährigen nötig wie ihn auch Eltern in dieser Zeit mehr oder weniger erfahren.

In Klasse 9 und 10 steht den Jugendlichen dann ein Klassenbetreuer bzw. eine Klassenbetreuerin zur Seite. Doch dieser schützt nicht mehr, hält ihnen eher den Spiegel hin, um sich selbst zu betrachten. Bei ihm können sie sich zwar immer wieder Orientierung holen, aber ihnen wird auch deutlich mehr Raum gelassen sich ihre Aufgaben, ihre Ziele in der konkreten Arbeitsaufgabe selbst zu stecken.

Die beiden Schuljahre sind in jeweils drei große Themenschwerpunkte eingeteilt. Das ist in Klasse 9: Arbeit – Sprachen – Kunst und in Klasse 10: nochmals Arbeit – Zeitgenossenschaft – Abschlüsse. Diese Themen werden in den stattfindenden Epochen von unterschiedlichsten Seiten beleuchtet, beim Thema „Zeitgenossenschaft“ z.B. über die Erarbeitung von naturwissenschaftlichen Grundlagen und gleichzeitiger Betrachtung aus dem Blickwinkel von Religion, Philosophie und Ethik.

Und während bis zur 6. Klasse täglich nur eine zweistündige Epochenzeit (der „Hauptunterricht“ neben den Fachstunden) stattfindet und in Klasse 7 und 8 dann zwei Epochen parallel laufen, erweitern wir das für die 9 und 10 auf drei Epochenzeiten plus einer Fachstunde täglich. Diese Erhöhung der Epochenzeiten sowie die Dreiteilung des Schuljahres in Themenblöcke dient der vertieften Auseinandersetzung mit dem zu bearbeitenden Stoff. Das ist also eine Steigerung der Konzentration. Jeder Themenblock endet mit einem in der Form variablen Abschluss. Das kann in Block „Sprache“ ein Kabarettabend sein oder wie in diesem Schuljahr ein „Irischer Abend“, wo auf Englisch über verschiedenste Aspekte von Irland referiert wird. Das Ziel ist von Beginn an klar, wird gemeinsam entwickelt und beschlossen. Und sowie man sich selbst ein Ziel gesteckt hat, kann der Arbeitsprozess  beginnen, man kann sich mit der Aufgabe verbinden, die nötigen und nächsten Schritte finden. Und dass die Jugendlichen einen Überblick über den Verlauf haben ist uns wichtig.

Dahinter steckt ja immer unser Ziel die jungen Menschen zur eigenen Führung zu erziehen.

Wie wird das Rhythmische in den Klassen 9 und 10 weitergeführt?

Das rhythmische Arbeiten spielt in Klasse 9 und 10 eine große Rolle. Bei der eben geschilderten dichten Arbeitsweise ist es unbedingt nötig zwischen Hand- und Kopfarbeit rhythmisch zu wechseln wie zwischen Einatmen und Ausatmen. Eine der drei Epochenzeiten ist also in der Regel dem handwerklich – künstlerischen Tun vorbehalten. In der 9. Klasse wird da mehr im Handwerklichen, also am Überwinden des Widerstandes von Materie gearbeitet wie im Gartenbau, im Schreinern, im Kupfertreiben oder Korbflechten. In der 10. Klasse erscheint eher der künstlerische Bereich.

Und dann gibt es noch den rhythmischen Wechsel zwischen dem Arbeiten und dem Reflektieren der Arbeitsprozesse. In der Nachbesprechung kommt das Erlebte zum Bewusstsein, wird formuliert und ausgesprochen. Dann kann der Arbeitsprozess von jedem, jeder selbst beurteilt werden. Was war stimmig, was hat nicht gut gepasst, was hat gefehlt? Und wie soll es beim nächsten Mal besser gehen?

Wie bekommen die Schüler und Schülerinnen Anschluss an die bestehende Gesellschaft?

In den beiden Klassen ist jeweils ein vierwöchiges Berufspraktikum vorgesehen. In Klasse 9 in einem Handwerksbetrieb in der Region, in Klasse 10 in einem Industriebetrieb. Wir haben uns bewusst für die ungewöhnlich lange Zeit von 4 Wochen entschieden. Wieder damit die Schülerinnen und Schüler sich verbinden müssen mit der Aufgabe. Besonders in der dritten und vierten Woche ist manchmal ganz schön Durchhaltevermögen nötig. Diese Praktika sind wiederum eingebettet in Themenzusammenhänge und werden in den Epochen intensiv vorbereitet und nachbereitet. Die Erfahrungsberichte bekommen wir dann von allen an einem Vortragsabend zu hören. Natürlich sind diese Betriebspraktika eine Brücke in die Arbeitswelt.

Ein zweiter Kreuzungspunkt mit unserer Umgebung ergibt sich durch den Hauptschulabschluss, den die Schüler extern an der Grund- und Hauptschule Kollnau ablegen. Er findet in der zweiten Hälfte der 10. Klasse statt. Da werden die Jugendlichen das erste Mal mit den üblichen Maßstäben des staatlichen Schulsystems konfrontiert und bewertet. Die Vorbereitung auf diese Prüfungssituation liegt davor zwischen Ostern und Pfingsten, also ein recht kurzer, begrenzter Zeitraum.

Die Freie Schule Elztal schließt mit dem Hauptschulabschluss ab?

Nein, der Hauptschulabschluss ist für die Schülerinnen und Schüler nicht der Abschluss der zwei Jahre, sondern nur eine Erfahrung darin. Natürlich ist es wichtig, dass sie durch den Hauptschulabschluss die Möglichkeit bekommen ins staatliche System zu wechseln, z.B. über Werkrealschule und Gymnasium zum Abitur zu kommen. Oder auf eine Waldorfschule zu wechseln, die mit Fachhochschulreife oder Abitur abschließt. Oder sich für eine Berufsausbildung zu entscheiden.

Aber die Schulzeit in der Freien Schule endet mit einem schuleigenen Abschluss und der besteht aus zwei Teilen. Zum einen ist da die Zehnt-Klass-Arbeit: Während des letzten Schuljahres wird von jedem Schüler ein eigenes Thema gewählt und zu Hause bearbeitet. Die Klassenbetreuer stehen für Fragen zur Verfügung. Und kurz vor den Sommerferien werden die theoretischen und praktischen Arbeitsergebnisse der Schulgemeinschaft vorgestellt.

Und als zweites ist da der gemeinsame Rückblick der Klasse auf die vergangenen zwei Schuljahre. Dieses Zurückschauen stärkt ihr Selbstbewusstsein für die durchlebten Prozesse und ihre Ergebnisse. Diese Reflexion mündet in einer geführten Ausstellung, bei der die Klasse vor den interessierten Zuhörern noch einmal die Inhalte Revue passieren lässt.

Und worauf zielt Ihr mit einer möglichen Oberstufe (Klassen 11 und 12)?

Die konzeptionelle Arbeit ist ja noch nicht abgeschlossen, aber die Richtung ist deutlich: Wir sehen die Zeit der 11. und 12 Klasse als ein Übungsfeld, um einen Weg zwischen den Anforderungen der Gesellschaft und den individuellen Impulsen zu finden. Es soll das fortgeführt werden, was in den Jahren davor bereits angelegt und gepflegt wurde, nur auf einem höheren Niveau.

Dieter Wiedner, Klassenbetreuer
Petra Lutz und Jutta Wahl, EinBlick-Redaktion
Aus: EinBlick 2003,
Kindergarten und Freie Schule Elztal, Maxhausweg 4, 79183 Waldkirch-Kollnau, www.freieschuleelztal.de

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Waldorfinitiative Harzvorland e.V.

Wir wollen 2003 eine Waldorfschule gründen! Daß dies klappt, davon sind Rafik und seine Freunde überzeugt. Schließlich wollen sie die ganze Welt erlernen! Ansgar weiß auch schon, welche Farbe seine Schule haben wird – nämlich rot!

Die UNESCO-Welterbe-Stadt Quedlinburg lebt mit ihrer 1000-jährigen Geschichte, und insbesondere unseren Kindern bietet dieser Hintergrund ein Gefühl von Heimat. Das Althergebrachte mit Leben zu erfüllen, darum bemühen sich in Quedlinburg viele Bürger und Initiativen. Mit der Gründung einer Freien Waldorf-schule wollen wir einen Beitrag leisten, dass Kinder den ihnen eigenen Weg finden und die Aufgaben der Zukunft ergreifen lernen.

Die Quedlinburger Waldorfschule soll den Charakter einer achtklassigen Volkschule haben. Dabei sollen die Schüler klassenübergreifend, teilweise in Kleingruppen unterrichtet werden. Mit diesem Konzept möchten wir eine Antwort finden auf das Bedürfnis, auch in einer strukturschwachen Region Waldorfpädagogik zu er-möglichen. Mehrere junge Waldorflehrerinnen, begleitet von Beratern sowie dem Kollegium der Magdeburger Patenschule, wollen als Gründungsteam die pädago-gische Verantwortung für diese Schule übernehmen.

Den Beschluss zur Schulgründung hat unser Verein auch im Vertrauen darauf gefasst, dass wir den Betrag in Höhe von ca. 48 000 Euro, welcher uns zur Finan-zierung der ersten drei nicht geförderten Schuljahre noch fehlt, rechtzeitig aufbringen können. Auch wenn diese Summe hoch erscheinen mag – viele kleine Schritte werden zum Erfolg beitragen. Ein erster Grundstock konnte bereits geschaffen werden, und mit zahlreichen Aktivitäten und Bemühungen ist unser Vorhaben finanziell bereits in greifbare Nähe gerückt.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns durch eine Spende bei unserem Vorhaben unterstützen möchten! Es ist ganz besonders das Vertrauen von Freunden und Förderern, welches uns in unserem Bemühen stärkt. Unser Verein ist gemeinnützig, Spendenquittungen senden wir Ihnen am Ende des Jahres unaufgefordert zu. Außerdem verlosen wir als kleines Dankeschön unter allen Spendern zum Ende des Jahres ein Quedlinburg-Wochenende für zwei Personen.

Anschrift: Stieg 4, 06484 Quedlinburg, Tel 03946-9014-08, fax –09 Kontonummer 435503, BLZ 800635, Ostharzer Volksbank 

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