jedermensch
 

Jedermensch

Zeitschrift für soziale Dreigliederung,
neue Lebensformen und Umweltfragen

Frühling  2008 - Nr. 646
Ernährung und Gesundheit

Inhalt

Die folgenden Beiträge und etliches darüber hinaus finden Sie in unserer Druckausgabe:

Eine schöne neue Welt

Im amerikanischen Wahlkampf wird es immer deutlicher, wie sich Armerika ändern müsste, um wieder eine ernst zunehmende Weltmacht zu sein, die nicht nur aus Eigennutz, Arroganz und militärischer Überlegenheit in der Welt agiert. Von Dieter Koschek

 Der Widerstand wächst
Immer mehr Aktionen gegen den Irak-Krieg Klaus Stampfer, Harald Will

Die neuen Fürsten
Eigentlich leben wir ja in einer Demokratie. Dürfen wir also mitreden, wie viel die angeblichen Eliten unseres Landes auf dem Konto haben? Oder sind wir einfach alle »nur neidisch«, wenn wir es ungerecht finden, dass Manager und Sportler im Geld schwimmen? Von Ulrike Büttner

Wie das Geld verteilt ist
60 Prozent des deutschen Immobilien-, Aktien- und Geldvermögens sind in den Händen der reichsten 10 Prozent.  

Lobbyisten in Ministerien:
LobbyControl veröffentlicht Liste mit über 100 Fällen

 Stoppt die Vorratsdatenspeicherung
Nach einem Gesetz, das CDU, CSU und SPD am 9. November 2007 gegen die Stimmen von FDP, Grüne und Linke beschlossen haben, soll ab 2008 nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden oder das Internet genutzt hat. Von Werner Hülsmann

Machtspiele

In drei Bundesländern wurde in letzter Zeit ein Landesparlament gewählt. Von Dieter Koschek

Die Iren stimmen für ganz Europa ab!
Voraussichtlich im Juni wird die einzige Volksabstimmung in Europa über die EU-Verfassung, heute EU-Reformvertrag genannt stattfinden.

Die Eigentumsfrage neu stellen
Der globale Kapitalismus in seiner aktuellen Form büßt immer stärker an Legitimität ein. Auch in Milieus, die sonst der Kapitalismuskritik eher unverdächtig sind, wächst das Unverständnis für ein Wirtschaftsmodell, das gigantische Reichtümer für eine Minderheit, aber soziale Ausgrenzung für immer mehr Menschen produziert und das geradewegs in die Klimakatastrophe steuert. von Stephan Schilling.

Zur Erkenntnissituation der Lebenskräfte
Die Naturwissenschaften, wie sie sich seit Galilei entwickelt haben, haben ein unzweifelhaftes Janusgesicht: Auf der einen Seite bringen sie eine nie zuvor da gewesene Exaktheit und Genauigkeit der Beobachtungen, auf der anderen Seite jedoch dieses um den Preis der lebendigen Anschauung. Von Andreas Pahl

Ein Pionier des ökologischen Bewußtseins
Über Franz Alt. Von Jürgen Kaminski

 Ökobäcker und die Münchner Hofpfisterei
Aus einem Beitrag von Markus Grill und Gerd Schuster

Was sucht ein Ratten-Gen im Salat?
Naturgemäß gar nichts. Im Gentechnik-Labor jedoch werden Artgrenzen ignoriert. Von Greenpeace

Zugriff zu den Krankheitdaten
Es geht um die geplante Einführung einer "elektronischen Gesundheitskarte", der sogenannten eCard. Von Jürgen Kaminski 

gesundheit aktiv. anthroposophische heilkunst e.v.

Mit Krebs leben
Ich war knapp 20 Jahre alt und mitten im Abitur, als ich merkte, dass ich kaum noch belastbar war. Von Ulrike Benkart  

Eulenspiegel – News
Zusammengestellt vondieter Koschek

 „Leben Gemeinsam Gestalten“
Die Mitglieder der Interessensgemeinschaft für Lebensgestaltung bereiten einen Kongress für Initiativen rund um den Bodensee vor: Im Kongresszentrum Friedrichshafen, , Graf-Zeppelin-Haus, vom 8.-10.05.2009 

Ulle Weber hat die Schwelle des Todes überschritten
Am Dienstag, den 26. Februar abends gegen 22.30 Uhr ist Ulle Weber in ihre geistige Heimat zurückgekehrt. Ulle Weber war bei der ersten Ausgabe und folgenden des „jedermensch“ Mitherausgeberin neben Peter Schilinski u.a. Für zwei Jahrzehnte gingen Peter Schilinski und Ulle Weber gemeinsam durchs Leben. Von rainer rappmann

 Lia Maier-Härting
Lia Maier-Härting starb am 22. Dezember 2007. Von Dieter Koschek

 Gesundes Essen ist von umfassender Bedeutung
Den Beitrag von Anton Kimpfler können Sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen

Anthroposophie & jedermensch: Helfende Behinderte
Den Beitrag von Anton Kimpfler können Sie nur in der gedruckten Ausgabe lesen

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Eine schöne neue Welt

 Im amerikanischen Wahlkampf wird es immer deutlicher, wie sich Armerika ändern müsste, um wieder eine ernst zunehmende Weltmacht zu sein, die nicht nur aus Eigennutz, Arroganz und militärischer Überlegenheit in der Welt agiert.

Vor allem Obama Barack äußert Ideen, die zwar in der Presse abwertend als inhaltsloser „Wandel“ bezeichnet werden, aber doch konkrete Maßnahmen für eine ernst zunehmende Supermacht sind. Eine Zustimmung zum Internationalen Gerichtshof ist zu erwarten und eine Respektierung der UNO.

Vor allem ist aber der Abzug aus dem Irak und aus Afghanistan zu nennen. Hier sind bisher die Ölinteressen im Vordergrund.. Mit dieser Militärgewalt auf Öl, das zudem aus zu gehen droht, zu setzen ist sehr kurzfristig. So kurzfristig wie jede Profitgier eben sein muss. Hier wäre ein Abzug ein Zeichen dafür die Internationalen Spielregeln einzuhalten. Auch könnte das Geld für die Besetzung zivil besser eingesetzt werden.

Beim diesem Schritt ist klar und deutlich die Energiefrage ein wichtiger Faktor und damit natürlich auch der - mit der fossilen Verbrennung verbundene - Klimawandel. Hier muss die USA endlich aufhören den Bremser zu spielen und das Kioto-Protokoll verabschieden bzw. bei den Nachfolgeplänen ernsthaft mitspielen. Hier zeigt sich bereits im eigenen Land, dass es vernünftige Spieler in der Klimafrage gibt. Selbst Arnold Schwarzenegger, der schauspielernder Bodybuilder in Kalifornien, sieht als Gouverneur die Wichtigkeit dieser Frage. Weiter spielen hier die Subventionen für den heimischen Ölpreis eine Rolle.

Ein zweiter wichtiger Schritt ist es, die Palästinenser als Partner in einem Friedensprozess in Nahost ernst zunehmen. Dazu gehört das Ende der Einseitigkeiten zugunsten Israels. Die Weltgemeinschaft hat die Aggressionen Israels schon oft verurteilt, immer mit dem Veto der USA. Hier gehört ein Augenmaß her, das die Probleme sieht und benennt. So kann man nicht ewig neue Siedlungen im Jordanland bauen lassen und gleichzeitig über einen eigenen palästinensischen Staat diskutieren.

Friedenspolitisch gehört das Ende von Blockaden zu dem Maßnahmenpaket. Die ideologische und dämliche Blockade von Kuba gehört dazu, ebenso wie die verweigerte Gesprächsbereitschaft mit Syrien oder dem Iran. Wenn die USA hier vom Säbelrasseln weg kämen und eine wirkliche Gesprächsbereitschaft zeigen würde, wären etliche Krisengebiet keine mehr.

Hierzu gehört auch der sogenannte Kampf gegen den Terrorismus. Ein Imperator, der jede Gelegenheit nutzt, militärisch über Stellvertreterarmeen oder durch Unterstützung von Guerillagruppen weltweit seine wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, kann eigentlich nicht glaubhaft ihm nicht geneigte Gruppen zu Terroristen erklären. Selbst eingefleischte US-Firmen machen Geschäfte mit jedem, der zahlen kann.

Innenpolitisch steht neben der Klimafrage die Armut im eigenen Land an vorderster Stelle. Das reichste und mächtigste Land der Welt hat für seine Bevölkerung keine gesetzliche Krankenversicherung. Wie lange wollen die Amerikaner diese Schande noch ertragen? Wirtschaftspolitisch ist der Widerspruch zwischen freiem Welthandel und innerstaatlichen Interventionen zugunsten der eigenen Wirtschaft zu klären. Ein Wirtschaftsförderungspaket von 100 Milliarden Dollar widerspricht doch eigentlich jeder neoliberalen Wirtschaftsvorstellung, ebenso wie militärisches Eingreifen zugunsten der eigenen Rüstungsindustrie. Ideologische Begründungen sind hier nur noch lügenhaft aufrecht zu erhalten.

Nicht zuletzt müsste sich der Ton der amerikanischen Regierung ändern, sie fordert garstig Mithilfe bei ihren militärischen Einsätzen per Brief, oder operiert mit der Koalition der Willigen anstatt die UN zu stärken und auch zu achten. Hier hat Powell, der letzte amerikanische Außenminister mit seiner Lüge über Massenvernichtungswaffen im Irak der Lügenpolitik die Krone aufgesetzt.

Dieser Kommentar soll nicht antiamerikanisch verstanden werden, ich meine vor allem die amerikanische Politik bzw. Regierungen – und ich möchte auch die deutsche Regierung nicht ausnehmen, da „wir“ ja im gleichen Lager der Wirtschaftspolitik stehen und von daher auch der gleichen Logik unterworfen sind. Der deutsche „Verteidigungsminister“ glaubt ja auch, das er Deutschland in Afghanistan verteidigt.

Ja was denn bloß? So wie auch ich hier in Deutschland nicht die Hoffnung aufgebe, dass einmal eine vernünftige, dialogische und respektable Politik gemacht wird, so hoffe ich dies auch für die USA und alle autoritären Länder dieser Welt.

Selbst wenn auch alle Dialogbereitschaft, der Einsatz diplomatischer friedlicher Mittel und die Achtung des Anderen zum tragen kommt, will ich immer noch nicht die Augen verschließen vor der Frage nach dem System, das ein kapitalistisches ist, welches privates Eigentum an Produktionsmittel, und damit uneingeschränkte Profitgier als Staatsziel hochhält. Neben aller Musik liegt hier ein Kompositionsfehler vor, der behoben werden muss.

Und wir sollten auch nicht glauben, dass der Unterschied zwischen Republikaner und Demokraten so groß ist. Marcia Pally macht in der taz vom 23.2.2008 darauf aufmerksam, dass unter Bill Clinton die USA die weltweiten Militäreinsätze erhöht hatte und die meiste Munition, die heute verschossen wird, unter seiner Amtszeit produziert wurde. Auch die Entmachtung der Kontrolle bei der Ausspionierung der US-Bürger durch Telefonüberwachung hat ein Demokrat zu verantworten.

Wie in Deutschland unterscheiden sich beide Lager nur atmosphärisch. An den Wurzeln des Übels, der kapitalistischen Produktion, wird keiner der beiden Lager rütteln wollen. In den USA nicht und nicht in Deutschland. Beide Staaten sind eindeutige Gewinner der neoliberalen Globalisierung und die Lobbyisten sind stark, um eine Änderung der Politik zu verhindern. Aber da brauchen diese auch keine Angst zu haben. Dies zeigte sich bei der Frage des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Die Differenzen zwischen USA und Europa führten nicht zum Konflikt, bei dem ja mit einer Spaltung gedroht wurde, sondern endeten im einvernehmlichen Miteinander. Denn die Interessen sind die gleichen.

Aber ich möchte doch betonen, dass es sehr wohl einen Unterschied in den Methoden gibt, wie es in Nord- und Südafghanistan ersichtlich ist. Ich lehne nach wie vor jedes militärische Eingreifen einer Militärmacht - egal wie human man es nennt - in einem anderen Land ab. Diese Haltung könnte man auch bei Obama Barack vermuten, aber letztlich lässt das System USA dies gar nicht zu.

Der Wandel wird noch viele Anstrengungen brauchen.

Dieter Koschek

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Der Widerstand wächst

Immer mehr Aktionen gegen den Irak-Krieg

In den USA setzen sich viele Menschen für ein Ende der Kriege im Irak und in Afghanistan ein - mit Demonstrationen, Besetzungen von Abgeordnetenbüros und anderen Aktivitäten. Einzelne verweigern den Kriegsdienst und sagen damit öffentlich NEIN zur Kriegspolitik der USA.

Lori Hurlebaus von der Friedensgruppe „Courage to resist" (Mut zum Widerstand) war am 25. Oktober im Münchner Eine-Welt-Haus und einen Tag später im Saal der IG Metall in Erlangen zu Gast. Sie berichtete, dass inzwischen 70 bis 80 Prozent der US-Bevölkerung gegen den Irakkrieg sind. Allerdings drückt sich das noch nicht in einer entsprechenden Mobilisierung aus. Die Frage für die Friedensbewegung, so Hurlebaus, laute denn auch: "Was können wir tun, um die Leute zum Handeln zu bewegen, damit der Krieg beendet wird?" Wichtig sind nach Meinung der Aktivistin von „Courage to resist" vor allem Iokale Aktivitäten, bei denen es darum geht, Widerstand im Militär gegen den Krieg zu unterstützen und die Rekrutierung von SoldatInnen zu konterkarieren.

Inzwischen hat es zahlreiche Protestaktionen vor Rekrutierungsbüros der US-Armee gegeben. Und immer häufiger demonstrieren Schülerinnen dagegen, dass Rekrutierungsoffiziere an ihren Schulen für die Armee werben.
Als wirksames Gegengewicht zur Militärpropaganda haben sich auch Auftritte von Kriegsveteranen vor Schulklassen erwiesen. Die Veteranen schildern sehr eindrücklich, dass der Krieg nicht das spannende Abenteuer ist, von dem die Armee in ihrer Werbung gern spricht.
Der sichtbare Widerstand in der USArmee ist bisher relativ gering: Etwa hundert Soldatlnnen haben sich bisher öffentlich geweigert, am Krieg im Irak teilzunehmen. Einige von ihnen wurden zu monatelangen Haftstrafen verurteilt. Aber sie konnten eine breite Öffentlichkeit erreichen und den Widerstand stärken.Offenbar gibt es sehr viele Militärangehörige, die auf indirekte Weise dem Krieg eine Absage erteilen.
Nach vorsichtigen Schätzungen, so Lori Hurlebaus, haben sich in den USA 10.000 Soldatlnnen seit Beginn des Irak-Feldzuges unerlaubt von ihrer Einheit entfernt. Anderen Einschätzungen zufolge liegt die Zahl viel höher: Bei 30.000 bis 40.000.

Im Augustanaforum berichtete die Friedensaktivistin Aimee Allison (37). Sie hat 1991 als Sanitäterin den Kriegsdienst in der US-Armee verweigert. Allison ist Herausgeberin eines Buches für die Anti-Rekrutierungskampagne in den USA und betreut ehemalige Soldatinnen und Soldaten der US-Armee bei der Bearbeitung ihrer Kriegserlebnisse.

Allison machte deutlich, wie viel Geld in den USA für die Anwerbung von neuen Rekruten ausgegeben wird. Im Haushaltsjahr 2006 hatte das USMilitär vier Milliarden Dollar für diesen Zweck zur Verfügung. Besonders anfällig für das Werben der Rekrutierungs-Offiziere, die an fast allen Schulen Büros unterhalten, sind Jugendliche, die sich vom Eintritt in den Militärdienst die Finanzierung eines Studiums versprechen.

Ohne zu wissen, dass dieser Wunsch nur für die wenigsten in Erfüllung geht. Freiwillig zurArmee melden sich auch viele illegale Einwanderer, denen mit der Ableistung des Militärdienstes die amerikanische Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt wird. Aimee berichtete auch von Fällen, bei denen vor Gericht Verurteilten in Aussicht gestellt würde die Strafe zu erlassen, wenn sie sich zum Militär meldeten.

Klaus Stampfer, Harald Will aus PAX AN 2/2007

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Die neuen Fürsten

 Eigentlich leben wir ja in einer Demokratie. Dürfen wir also mitreden, wie viel die angeblichen Eliten unseres Landes auf dem Konto haben? Oder sind wir einfach alle »nur neidisch«, wenn wir es ungerecht finden, dass Manager und Sportler im Geld schwimmen?

 »Gerechtigkeit entspringt dem Neid; denn ihr oberster Grundsatz ist: Allen das Gleiche.« So urteilte einst Walther Rathenau, ein deutscher Industrieller und Politiker im vergangenen Jahrhundert. Muss man sich also schämen, wenn man angesichts der folgenden Zahl um Fassung ringt?

4,5 Millionen Euro durchschnittliches Jahresgehalt haben die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30-Unternehmen im Jahr 2006 erhalten, recherchierte die Hans-Böckler-Stiftung. Dass von Gleichheit nicht annähernd die Rede sein kann, zeigt, dass das Verhältnis der Pro-Kopf-Gehälter zwischen Vorstand und Mitarbeiter im Durchschnitt vom 14- auf das 44-fache im Zeitraum von 1987 bis 2006 gestiegen ist. Besonders deutlich sind die Gehälter Ende der 1990er Jahre angestiegen.

Hans-Werner Sinn, Direktor des Münchner Instituts für Wirtschaftsförderung, kann daran nichts Schlimmes finden: »Mit etwas mehr Ungerechtigkeit lebt es sich besser. Etwas mehr Ungleichheit bewirkt auch für die weniger gut dabei Wegkommenden einen höheren Lebensstandard, als wenn man ein egalitäres System schafft, wo alle gleichermaßen arm sind. Das haben wir doch im Sozialismus Ostdeutschlands probiert. Die Leute haben sich darüber aufgeregt, dass Erich Honecker einen Kühlschrank hatte - die ausgelebte Neidpräferenz ging so weit, dass eben keiner einen Kühlschrank hatte«, sagt Sinn zur Süddeutschen Zeitung. So direkt drücken es die meisten Manager nicht aus. Aber sie pochen mit dem Hinweis auf Vertragsfreiheit darauf, dass die Höhe der Gehälter nicht von der Politik bestimmt würden dürfe und dass sie für ihr Geld schließlich hart arbeiten.

Gerechtigkeit: ein altes Thema Der Wunsch nach Gerechtigkeit beschäftigt seit Jahrtausenden Dichter und Denker. Fast alle Menschen haben ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Solidarität - und das mit gutem Grund.

Der Sozialpsychologe Prof. Hans-Werner-Bierhoff von der Ruhr-Universität Bochum erklärt: »Der Mensch ist ein kooperatives Wesen. In allen kooperativen Organisationen besteht die Gefahr der Ausbeutung durch Einzelne, die nur Belohnungen abholen, aber selbst nichts beitragen«, so Bierhoff. »Das ist gefährlich für das gesamte System.« Zwar ist es selten so, dass Manager gar nichts leisten - auch wenn einige von ihnen mehr ihre eigenes Wohl als das ihres Unternehmens im Blick haben:Die meisten Menschen haben nicht einmal ein Problem damit, dass unterschiedliche Leistungen auch unterschiedlich entlohnt werden, sie gönnen die Gehälter den Managern also auch. »Aber«, fragt Bierhoff, »wer kann schon sagen, ob ein Vorstand zehnmal, hundertmal oder dreihundertmal so viel leistet wie beispielsweise ein Dachdecker?«

Wer verdient, was er verdient? Eine gute Frage. Der DGB ging diesem Thema Ende 2007 nach und untersuchte, was die Menschen im Lande von den astronomischen Bezügen der Top-Manager halten. Das Ergebnis: 85 Prozent der Ostdeutschen und 82 Prozent der Westdeutschen halten das Jahreseinkommen für zu hoch. Was die Entscheidungsträger aus den Vorstandsetagen wirklich verdient hätten, dazu haben viele eine Vorstellung: So finden 28 Prozent der Befragten, dass ein Jahressalär bis 500.000 Euro angemessen ist. Weitere 20 Prozent können sich mit einer Vergütung bis zu einer Million Euro anfreunden. Nur vier Prozent empfinden die tatsächliche Höhe von mehr als vier Millionen Euro als angemessen.

Und wer das verdienen will, so finden 85 Prozent aller Befragten, sollte sich an sozialen und ökologischen Kriterien messen lassen. Wer besonders viele Betriebe dicht macht, keinen Erfolg hat, Angestellte auf die Straße setzt und der Umwelt schadet, hätte dann schnell weniger Euro in und an der Börse.

Wer aber würde sich dafür einsetzen? Fast unisono murmelten Ende vergangenen Jahres sogar CDU-Politiker pflichtschuldig einige Sätze zum Thema Gerechtigkeit. Die Kanzlerin wetterte gar wahlkampfwirksam: »Warum wird mit Geld überschüttet, wer auf ganzer Linie versagt?« Ob sie es wirklich nicht weiß? Mit den Managern verderben wird es sich die CDU wohl kaum: »Es gibt keine Initiativen in der Bundesregierung für gesetzliche Regelungen in diesem Bereich.«

Die Schieflage gerade rücken. Deutlich Stellung bezog der DGB und forderte, den Spitzensteuersatz wieder von 42 auf 53 Prozent zu erhöhen und die Kriterien für Managergehälter zu überdenken: »Die Höhe der Vorstandsvergütung in den großen Unternehmen widerspricht den Grundsätzen von Leistungsgerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit, mit negativen Auswirkungen auf den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.«

Die Gewerkschaften richteten einen Expertenkreis ein, der im kommenden Frühjahr einen Kodex für angemessene Vergütungen empfehlen wird. »Wir müssen weg von der kurzfristigen Orientierung an den Aktienkursen zu nachhaltiger Unternehmenslenkung«, so DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel. Dazu gehört nicht nur die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, sondern auch eine

deutliche Erhöhung der Löhne und Gehälter, wie sie die Gewerkschaften in diesem Jahr bei ihren Tarifforderungen nach mehr als 15 Jahren mit sinkenden Reallöhnen vertreten werden.

Ulrike Büttner-Freunscht aus RAN 2/2008

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Wie das Geld verteilt ist

60 Prozent des deutschen Immobilien-, Aktien- und Geldvermögens sind in den Händen der reichsten 10 Prozent. Dabei sind 13 Prozent - das sind 10.600.000 Menschen - in Deutschland armutsgefährdet. Auch Arbeit schützt nicht vor Armut: 32 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten haben eine Anstellung im Niedriglohnbereich. Das heißt, sie beziehen weniger als 75 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns (ca. 42.000 Euro). 2,5 Millionen dieser Beschäftigten lagen mit ihren Einkommen sogar unterhalb der 50-Prozent-Marke. Sie beziehen damit Armutslöhne.

Fürstliche Gehälter - angemessen? Seit 2006 müssen Unternehmen die Höhe ihrer Managerbezüge veröffentlichen. Im Aktiengesetz heißt es: »Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge im angemessenem Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen.« Hier eine kleine Auswahl.

Was die Manager meinen:
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking: »Wenn ich Erfolg habe, möchte ich auch gut bezahlt werden.« (ZEIT) Siemens-Chef Peter Löscher findet, sein Gehalt sei angemessen (Bild am Sonntag). Hartmut Mehdorn von der Bahn AG bemerkte, drei Viertel seiner Bezüge seien vom Erfolg abhängig. Rene Obermann (Telekom) reklamiert eine 90-Stunden-Woche und eine große Verantwortung für Mitarbeiter und Aktionäre.

Was die Menschen sagen
Nur ein gutes Drittel deutscher Bürger finden, dass es in Deutschland gerecht zugeht. 81 Prozent der Bürger sagen, sie würden vom Aufschwung nicht profitieren. Genauso viele fordern die Einführung eines Mindestlohnes. 85 Prozent finden, dass Manager zuviel verdienen.

Aus RAN 2/2008

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Lobbyisten in Ministerien: LobbyControl veröffentlicht Liste mit über 100 Fällen

 Wirtschaftslobbyisten stricken in den Ministerien an den Gesetzen mit, die eigentlich ihre Unternehmen regulieren sollen. Sie haben bevorzugten Zugang zum Gesetzgebungsverfahren und können zahlreiche interne Informationen aus den Ministerien direkt für ihr Unternehmen nutzbar machen. So werden Böcke zu Gärtnern gemacht.

Ein Mitarbeiter von Fraport, dem Betreiber des Frankfurter Flughafens, sitzt im Verkehrsministerium, schreibt an den Lärmschutzbestimmungen für Flughäfen mit und verhindert ein bundesweites Nachtflugverbot. Ein Lobbyist der Deutschen Börse AG schreibt mehr als drei Jahre im Finanzministerium am Gesetzentwurf zur Modernisierung des Investmentwesens mit und trägt dazu bei, dass die

Zwischensteuer bei Investmentfonds abgeschafft wird. Die Krankenkasse DAK finanziert einen Angestellten, der im Gesundheitsministerium arbeitet und dort vertrauliche Dokumente zur Gesundheitsreform kopiert und an seinen Arbeitgeber weiterleitet.

Das sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie Lobbyisten von ihrem Schreibtisch in Ministerien profitieren. LobbyControl hat im Sommer über 100 solcher Fälle recherchiert und im Internet veröffentlicht. Zu Beginn der Parlamentsferien forderte die Organisation mit einer Aktion in Berlin »Lobbyisten in die Sommerpause - und dann nach Hause«.

Die Presse berichtet breit, und es entzündet sich eine öffentliche Debatte um diese bisher weitgehend unbekannte Praxis der direkten Einmischung. Die Forderung von LobbyControl ist klar: Diese »Leihbeamten« müssen raus aus den Ministerien. Und wenn Abgeordnete und Minister wirklich externen Sachverstand brauchen und in Anspruch nehmen wollen, muss dies transparent und klar geregelt sein.

www.keine-lobbyisten-in-ministerien.de

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Stoppt die Vorratsdatenspeicherung

 Nach einem Gesetz, das CDU, CSU und SPD am 9. November 2007 gegen die Stimmen von FDP, Grüne und Linke beschlossen haben, soll ab 2008 nachvollziehbar werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden oder das Internet genutzt hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden. Anonymisierungsdienste sollen verboten werden.

Mit Hilfe der über die gesamte Bevölkerung gespeicherten Daten können Bewegungsprofile erstellt, geschäftliche Kontakte rekonstruiert und Freundschaftsbeziehungen identifiziert werden. Auch Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation, auf persönliche Interessen und die Lebenssituation der Kommunizierenden werden möglich. Zugriff auf die Daten erhalten Polizei, Staatsanwaltschaft und ausländische Staaten, die sich davon eine verbesserte Strafverfolgung versprechen.

Bisher durften Telekommunikationsanbieter nur die zur Abrechnung erforderlichen Verbindungsdaten speichern. Dazu gehörten Standortdaten, Internetkennungen und Email-Verbindungsdaten nicht. Der Kunde konnte verlangen, dass Abrechnungsdaten mit Rechnungsversand gelöscht werden. Durch die Benutzung von Pauschaltarifen konnte eine Speicherung zudem gänzlich vermieden werden, was etwa für Journalisten und Beratungsstellen wichtig sein kann. All diese Mechanismen zum Schutz sensibler Kontakte und Aktivitäten beseitigt die Vorratsdatenspeicherung.

Die Aufzeichnung von Informationen über die Kommunikation, Bewegung und Mediennutzung jedes Bürgers stellt die bislang größte Gefahr für unser Recht auf ein selbstbestimmtes und privates Leben dar.

Unter einer Vorratsdatenspeicherung leiden wir alle:

·         Eine Vorratsdatenspeicherung greift unverhältnismäßig in die persönliche Privatsphäre ein.

·         Eine Vorratsdatenspeicherung beeinträchtigt berufliche Aktivitäten (z.B. in den Bereichen Medizin, Recht, Kirche, Journalismus) ebenso wie politische und
      unternehmerische Aktivitäten, die Vertraulichkeit voraussetzen. Dadurch schadet sie letztlich unserer freiheitlichen Gesellschaft insgesamt.

·         Eine Vorratsdatenspeicherung verhindert Terrorismus oder Kriminalität nicht. Sie ist unnötig und kann von Kriminellen leicht umgangen werden.

·         Eine Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen das Menschenrecht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung.

·         Eine Vorratsdatenspeicherung ist teuer und belastet Wirtschaft und Verbraucher.

·         Eine Vorratsdatenspeicherung diskriminiert Nutzer von Telefon, Mobiltelefon und Internet gegenüber anderen Kommunikationsformen.

Dem Bundesverfassungsgericht wurden am 29. Februar 2008 in Karlsruhe die Vollmachten von über 34.000 Bürgerinnen und Bürgern übergeben, die sich gegen die sechsmonatige Sammlung ihres Telekommunikations- und Bewegungsverhaltens zur Wehr setzen wollen. Gegen die seit 1. Januar 2008 eingeführte Überwachungsmaßnahme richtet sich damit die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik. Die 102 Aktenordner und 12 Umzugskartons füllenden Vollmachten der Beschwerdeführer wurden heute für den Berliner Anwalt Meinhard Starostik beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Im Anschluss schlugen Mitglieder des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung am Platz der Grundrechte in Karlsruhe symbolisch 17 Thesen zur Verteidigung der Grundrechte in der heutigen Zeit an. Für verschiedene Grundrechte wurde je eine These angenagelt, beispielsweise „Die Souveränität des Individuums über seine Daten ist die Voraussetzung der Wahrnehmung seiner Freiheit“. Auf weiteren Tafeln waren entgegengesetzte Äußerungen von Politikern zu lesen, etwa die Aussage der Bundeskanzlerin: „Es kann doch keinen Raum geben, in dem Terroristen sicher sein können, dass sie sich austauschen können, ohne dass der Staat einen Zugriff hat.“

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärt dazu: „Wir fordern Regierung und Parlament auf, eine unabhängige Überprüfung aller seit 1968 beschlossenen Überwachungsgesetze auf ihre Wirksamkeit und schädlichen Nebenwirkungen hin einzuleiten. Wir fordern außerdem den sofortigen Stopp neuer Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet der inneren Sicherheit, wenn sie mit weiteren Grundrechtseingriffen verbunden sind. Dazu zählen die Überwachung von Flugreisenden, das geplante zentrale Melderegister, der biometrische und elektronische Personalausweis sowie Präventivbefugnisse des Bundeskriminalamts einschließlich staatlicher Spionage auf Privatcomputern.“

Anfang Februar hatte das Bundesverfassungsgericht den Eilantrag auf Aussetzung der gigantischen Datensammlung zunächst Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und den Länderregierungen zur Stellungnahme zugeleitet. Dabei fragte das Gericht unter anderem, ob es zutreffe, dass auch ohne Vorratsdatenspeicherung nur 2% der Abfragen von Verbindungsdaten erfolglos bleiben. Das Bundesverfassungsgericht will noch im März über den Eilantrag entscheiden.

Eine Umfrage des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vom Ende Januar 2008 kommt zu dem Ergebnis, dass viele Menschen seit Jahresanfang die Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet vermeiden. In sensiblen Bereichen wie Journalismus und medizinische Beratung hat dies schwerwiegende Folgen für die Betroffenen.

Kontakt und Information
Dipl. Inform. Werner Hülsmann, Obere Laube 48,  D-78462 Konstanz
Tel.: 07531 / 36 59 0 56 E-Mail: werner@vorratsdatenspeicherung.de  www.vorratsdatenspeicherung.de

Werner Hülsmann ist Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) e.V. und des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V.

 

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Machtspiele

 
In drei Bundesländern wurde in letzter Zeit ein Landesparlament gewählt. In allen drei Ländern verlor die CDU, blieb jedoch immer die stärkste der Parteien. Nirgendwo kann sie allein regieren. In Hessen reicht es nicht wie in Niedersachsen zu einer konservativ-liberalen Koalition. In Hamburg sind die Liberalen erst gar nicht vertreten.

Dadurch wird es spannend. In Hamburg wird derzeit eine schwarz-grüne Koalition sondiert. Das wird dann eine neue Machtkonstellation genannt, die ein tendenziell Fünf-Parteien-System möglich machen sollte. In Hessen wird eine rot-grüne Minderheitsregierung (mit Duldung der Linken) diskutiert.

Bei all diesen Überlegungen liegt die Haltung der SPD gegenüber LINKE zugrunde, die diese absolut verteufelt und in keiner Weise mit diesen zusammenarbeiten will. Dabei sind die LINKE doch durchaus regierungsfähig, wie Berlin und der Osten zeigt. Also spielt die SPD letztlich nur auf Zeit und hofft, dass die LINKE sich mit der Zeit ebenfalls machthungrig zeigt. So sind die Diskussionen nur ein Machtspiel und werden den Bürgern und Bürgerinnen keine Lösungen bringen. Denn Parteien in Regierungen sind schwach und in den Händen der Lobbyisten. Das wird auch die LINKE zu spüren bekommen, wie einst die Grünen. Änderungen werden keine kommen.

Wenn wir eine Gesellschaft nach den Grundzügen der sozialen Dreigliederung wollen, wird uns der Parlamentarismus immer enttäuschen. Eine Zukunft wird sich nur aufzeigen, wenn das Volk mehr Möglichkeiten bekommt seine Interessen selber wahrzunehmen – durch die Vielfalt von direkter Demokratie. Immerhin gab es in Deutschland nun schon 4500 Bürgerbegehren und Bürgerentscheide. Jedermensch-Leser wissen, dass ich im politischen Geschehen seit jeher auf die Organisierung der Menschen in Bürgerinitiativen setze und die eigentlichen Erfolge in der Politik durch Soziale Bewegungen angestiftet sehe. Daran ändern auch neue Partien und neue Koalitionen nichts.

Dieter Koschek

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 Die Iren stimmen für ganz Europa ab!

Voraussichtlich im Juni wird die einzige Volksabstimmung in Europa über die EU-Verfassung, heute EU-Reformvertrag genannt stattfinden.

Während die Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden durch die Menschen abgelehnt wurde, soll dieser Reformvertrag ohne Beteiligung der Menschen über die Bühne gehen. Dabei soll künftig viel mehr auf EU-Ebene entschieden werden.

Auch wenn ich für eine gemeinsames Europa bin, kann ich dieses Vorgehen nicht gutheißen. Ein gemeinsames Europa kann nur eines der Völker sein, nicht eines ihrer Regierungen.

Mehr Demokratie e.V. will irische Initiativen bei der Abstimmung unterstützen. So soll eine unabhängige wöchentliche Internetsendung dafür sorgen, dass die Abstimmung fair stattfinden kann. Zudem sind Demonstrationen und Informationen geplant. Dafür fallen Kosten an und Mehr Demokratie bittet um Spenden.

Mehr Demokratie e. V., Jägerwirthstr. 3, 89373 München, 089-8211774, www.mehr-demokratie.de Kontonummer 5871751486 bei der Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 700 205 00)

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Die Eigentumsfrage neu stellen

 Der globale Kapitalismus in seiner aktuellen Form büßt immer stärker an Legitimität ein. Auch in Milieus, die sonst der Kapitalismuskritik eher unverdächtig sind, wächst das Unverständnis für ein Wirtschaftsmodell, das gigantische Reichtümer für eine Minderheit, aber soziale Ausgrenzung für immer mehr Menschen produziert und das geradewegs in die Klimakatastrophe steuert. Von diesen Umbrüchen, vom Ende der neoliberalen Hegemonie, zeugen Meinungsumfragen ebenso wie die Verschiebung der politischen Diskurse: Die Debatten um soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz gewinnen an Ernsthaftigkeit, wie man an den Debatten um Mindestlöhne, aber auch an den Suchbewegungen von SPD und Grünen nach glaubhaften Aufbrüchen in der Sozialpolitik auf ihren Parteitagen sehen kann.

In diesen Veränderungen liegt für uns die Chance, einen Schritt weiter zu gehen in der Delegitimierung der aktuellen Wirtschaftsordnung. Wem gehört was und was darf er damit tun? Das sind Grundfragen an unsere Wirtschaftsordnung, die wir mit der Eigentumsfrage stärker thematisieren als mit den bisherigen Attac-Forderungen wie der Tobin-Steuer oder dem gerechten Welthandel. Zugegeben: Schon im ersten Slogan des Weltsozialforums von Porto Alegre „Die Welt ist keine Ware" schwingt die Eigentumsfrage mit - doch nun haben wir die Chance, diese stärker zu zuspitzen, sie expliziter zu machen.

Grenzen des Privateigentums

Doch was heißt es inhaltlich, die Eigentumsfrage neu zu stellen? Wie immer bei Attac wird es darauf keine eindeutige Antwort geben. Das liegt nicht nur an der

Breite des politischen Spektrums, das bei Attac vertreten ist, sondern gerade auch daran, dass wohl keiner von uns - egal ob Kommunistin oder Anhänger einer sozial und ökologisch regulierten Mischwirtschaft - konsistente Alternativen zum bestehenden Wirtschaftsmodell vorstellen kann. Thematisieren sollten wir jedoch gemeinsam die Frage, wo Grenzen des Privateigentums liegen. Dazu gehört die Kritik an der Akkumulation von gigantischen Geldvermögen in der Hand einiger weniger, die vor dem Hintergrund der Armut so vieler keine Legitimation hat, sowie die Kritik an der fortschreitenden Kommerzialisierung unserer Lebensbereiche und der künstlichen Schaffung geistigen Eigentums. Auch sollten wir die Fragen danach stellen, was die Eigentümer eigentlich legitimerweise mit ihrem Eigentum tun dürfen. Dass profitable Unternehmen geschlossen werden, um zweistellige Renditeerwartungen zu erfüllen, gehört mit Sicherheit nicht dazu.

Die Eigentumsfrage konkretisieren

Die Kampagne für eine demokratische Kontrolle der Stromkonzerne macht deutlich, was mit der Eigentumsfrage gemeint ist. Die vier großen Konzerne E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall blockieren mit ihrer gigantischen ökonomischen Macht jegliche Klimaschutzanstrengungen, wie der Bau von 24 neuen Kohlekraftwerken beweist. Und ihr Streben nach zweistelligen Renditen erfüllen sie dadurch, dass sie trotz stagnierender Löhne die Strompreise brutal anheben - letztlich ist das eine massive Umverteilung von unten nach oben. Hier wird es also Zeit, die Eigentumsfrage zu stellen: Die Kampagne wird explizit die Zerlegung der vier Konzerne und ihre Überführung in öffentliches Eigentum fordern – ohne jedoch zu vergessen, dass molochartige Staatskonzerne wie Vattenfall oder der französische Stromkonzerne EN keine Lösung sind, sondern es um dezentrale Lösungen, die eine wirkliche demokratische Kontrolle ermöglichen, gehen muss.

Ein anderer Ansatzpunkt ist die derzeitige Scheindebatte um die Manager-Spitzengehälter. Denn nicht die Spitzengehälter der Manager sind das Problem, sondern die horrenden Renditeerwartungen der Kapitaleigner, die zu einer massiven Umverteilung von Lohneinkommen zu Kapitaleinkommen führen. In Deutschland leben mittlerweile 800.000 Millionäre, vier Prozent der Haushalte besitzen 1,3 Billionen Euro Geldvermögen, die restlichen 96 Prozent 2,4 Billionen Euro, 13,5 Prozent besitzen nichts oder Schulden. Auch hier gilt es die Eigentumsfrage zu stellen, statt wie bisher den Prozess durch Steuersenkungen politisch sogar zu beschleunigen.

An solchen Debatten wird klar: Die Zeit ist reif, mit der Thematisierung der Eigentumsfrage ein neues Kapitel in der Delegitimierung eines Wirtschaftsmodells, das soziale und ökologische Krisen heraufbeschwört, aufzuschlagen. Attac ist der richtige Akteur, um damit ernsthaft zu beginnen.

Stephan Schilling, Attac Koordinierungskreis

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Zur Erkenntnissituation der Lebenskräfte

 Die Naturwissenschaften, wie sie sich seit Galilei entwickelt haben, haben ein unzweifelhaftes Janusgesicht: Auf der einen Seite bringen sie eine nie zuvor da gewesene Exaktheit und Genauigkeit der Beobachtungen, auf der anderen Seite jedoch dieses um den Preis der lebendigen Anschauung. Alles, was letztlich so exakt "definiert", so genau "festgestellt" wird, ist leblos, hat sich der Genauigkeit der Feststellung um den Preis des Lebens ergeben. Das "Messen und Wägen", wie es zu Beginn der Neuzeit zur Maxime der exakten Wissenschaften gemacht wurde, lässt sich nur an toten, ruhig gestellten Gegenständen durchführen. Dieses Messen und Wägen, selbst aus dem Bereich des Toten entnommen, kann auf seinen Gegenstand nicht anders als mit der unterschwelligen Absicht des Tötens wirken. Das Weltbild, das auf diese Weise gewonnen wird, lässt sich in Archiven und Museen, in einer Unzahl von Fakten und "Messergebnissen", in Vitrinen und Präparategläsern ausstellen. Alle diese Objekte werden tot sein. Die exakte Wissenschaft des Messens und Wägens ist eine Todeswissenschaft, sie kann nichts anderes sein. Zur Erkenntnis des Lebens ist sie per se nicht in der Lage.

Der Begriff des Feststellens hat es bereits "in sich": Wenn ich etwas "genau" und "in Ruhe" betrachten will, so muss ich jegliche Eigenbewegung des Objekts eliminieren, welche zu einer Beobachtungsunschärfe führen würde. Also fixiert und tötet die analytische Wissenschaft, seziert und filiert die anatomischen Präparate, zerlegt sie in mikroskopische Feinschnitte und gießt sie in Kunstharz ein. Eine analytische Pflanzen-, Tier- und Menschenkunde hat man auf diese Weise hervorgebracht. Sie ist Abbild der reinen rezeptiven Sinneswahrnehmung, bei welcher im Auge das Bild der belebten Umgebung zunächst erstirbt. So sehr hat man sich an das Szenario dieser Methodik gewöhnt, dass man es gar nicht mehr infrage stellt und für das einzig mögliche hält. Was das Leben sei, welches in jeglichem lebendigen Organismus strömend schafft und wirkt, wird auf diese Weise bis ans Ende bis ans Ende aller Zeiten unsichtbar bleiben. Denn auf diese Weise bringt der Mensch lediglich ein gewaltiges, zweifellos hochinteressantes anatomisches Kabinett zustande, aber jegliche Fest-Stellung bringt ebenso notwendig jegliches Leben um, denn Leben lebt in Atmung, Bewegung, fortwährenden Wandlungsprozessen. Da man nun doch an Organismen diese Bewegungsvorgänge wahrnahm, aber das Denken schon erstarrt war, bediente man sich des Analogons der Maschine, um diese zu "erklären".

So wie Hebel und chemische Kräfte funktionieren, wie Sog und Druck in der mechanischen Welt eine Wirkung ausüben, so stellte man sich den Menschen vor: Der etwas zu früh triumphierende Begriff des "Funktionierens" war geboren. So wurde das Auge eine "Kamera", das Herz zu einer "Pumpe", die Leber zu einer "chemischen Fabrik", der Darm zu einer "Kanalisation". In tausenden populärwissenschaftlichen Darstellungen, in Lehrbüchern, Illustrierten und Wissenschaftsmagazinen, in Filmen und Schautafeln breitete man diese Anschauungsformen massenhaft aus. Ein geradezu kindliches Vergnügen am mechanischen Primitivdenken beherrscht bis heute weitgehend das Feld und klammert sich nicht selten in trotzigem Eigensinn an seine selbstgemachten Vorstellungen. Über solchem Narrenterrain hat die Wahrheit schlechte Karten, sie prallt an den bockshornigen Dickschädeln ab wie an hunderten energetisierter Tarnhelme von Nibelungenzwergen.

Bereits zu Ende des 19. Jahrhunderts traten zahlreiche Denker auf, denen tiefgreifende Skrupel bezüglich des allumfassenden Materialismus kamen, unter ihnen zum Beispiel Emile Boutroux und sein Schüler Henri Bergson, Charles Peirce, William James, John Ruskin, African Spir, G.L. Dankmar, Hans Driesch, Ernst Mach, Max Verworn - um nur einige zu nennen. Der prägnante Satz von dem Nobelpreisträger Bergson ("Schöpferische Entwicklung") mag symptomatisch und vielsagend dastehen:

"Man begreift, dass durch unser Denken feste Begriffe aus der beweglichen Realität gezogen werden können; aber es ist durchaus unmöglich, mit der Festigkeit der Begriffe die Beweglichkeit des Wirklichen zu rekonstruieren." ("Einführung in die Metaphysik", 1909).

Diese Denker hatten viel zu sagen und stifteten ihre Beiträge zu einer allgemeinen kulturellen Aufbruchstimmung, die um die Wende zum 20. Jahrhundert und in den Folgejahren Platz griff, bis sie von den ewig unterbeschäftigten Narren des europäischen Militarismus mit Feuer und Schwert plattgemacht wurde: "Inter armas tacent musae." Als ob das Treiben von Stahltrusts und Ölkartellen gottgemacht wäre - vermerkte bitter der tief empfindende Dankmar in "Die kulturelle Lage Europas" (Leipzig 1905). Die Militaristen interessierten sich mehr für die Stahlerzeugnisse von Krupp und die neuesten Waffenentwicklungen als für philosophische Betrachtungen und schafften es mittels zweier Weltkriege, nahezu jeglichen kulturellen Fortschritt für das 20. Jahrhundert zu ruinieren. Von daher nimmt es kaum Wunder, wenn dieses 20. Jahrhundert sich geistentleert weiterhin im stumpfsinnigem Materialismus und Darwinismus erging. Immerhin verschaffte ihm die Atombombe einen gewissen Respekt vor der Idiotie seines eigenen Zerstörungswahns. So blieb es dem 21. Jahrhundert vorbehalten, die Schätze der älteren Jahrhundertwende wieder zu heben, und die Zahl neuer wissenschaftlicher Publikationen, die sich mit den "ganzheitlichen" Denkern um 1900 neuerdings beschäftigen, ist erstaunlich. So ist etwa der Tübinger Professor Michael Heidelberger zu nennen, die Luzerner Professorin Karen Gloy, die Amerikanerin Nancy Cartwright und andere. Das mentale Bollwerk des ebenso sturen wie puren Materialismus beginnt möglicherweise zu bröckeln. Einen gewissen Beitrag dazu leistet auch die "Globalisierung", welche zwar eigentlich schon im 19. Jahrhundert stattfand, heute aber weniger in überdrehtem Kolonialgeist als eher in paritätischer Bereitschaft zum gegenseitigen Zuhören stattfindet. Selbst in China investierende Firmen müssen sich zuvor mit den kulturellen Gepflogenheiten des Landes vertraut machen. Erstmals entschuldigte sich auch mit Kevin Rudd ein australischer Premierminister bei den Aborigines für das ihnen von den Weißen angetane Unrecht.

Die technische Vernetzung führt die sehr inhomogenen Kulturgebiete der Menschheit unaufhaltsam zusammen, und nun vermerkt auch der Westen noch etwas unbeholfen, dass er in spiritueller Hinsicht eventuell noch etwas lernen kann. Hawaiianische, thailändische, chinesische, indische, japanische, philippinische Therapeuten führen fröhlich und ungehindert ihre Massagen und Wellness-Programme durch, nennen die Lebenskräfte Prana, Ka, Ki, Chi, Qui und hängen sonderbare Tafeln von ihren Strömungen und Chakren an die Wand als gäbe es nichts Selbstverständlicheres, und der westliche Patient lässt es sich wie ein etwas tapsiger und unerfahrener Besucher sonderbarer Stätten ebenso verständnislos wie schließlich gern gefallen. Nie traten Bildungsdefizite drastischer auf als in diesem grotesken "Zusammenprall der Kulturen", der weniger nach einem "Kampf ums Dasein" als nach einem "Kampf gegen die Dummheit" aussieht. Schon beginnen manche Vertreter farbiger Länder mit postkolonialistisch erstarktem Selbstbewusstsein den "weißen Mann" in seiner mechanisch beschränkten Denkweise zu belächeln und Oswald Spenglers Vision vom "Untergang des Abendlandes" ist zumindest in kultureller Dimension bedenklich nahegerückt. Schon wollen Länder aus Afrika und auch Indien die Fehler und Umweltsünden der westlichen Welt nicht mehr nachmachen, und sie tun recht darin. Schon beginnen manche indischen und pakistanischen Professoren sich mehr für Goethe als für Siemens zu interessieren, und das Abendland sollte beschämt dastehen aufgrund der Missachtung seiner eigenen Geistesgrößen. Oder noch besser: Sich ihrer wieder annehmen, wie dies schon einige tun und z.B. auch Schellings Universalphilosophie wieder ausgraben. "Der geistvolle R. Steiner" (so G. L. Dankmar) hat schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, inmitten der tiefsten Auswirkungen des düstersten Materialismus einerseits, andererseits inmitten einer unvergleichlichen Aufbruchsstimmung, dem Westen den Anschluss und das Verständnis für die östlichen Philosophien und Lebenslehren ermöglicht. Auch sein aus zentralem Universalwissen geschöpftes Werk harrt seiner Entdecker. Wie schon im 19. Jahrhundert ist nicht wirkliche Wissenschaftlichkeit das Hemmnis vor solcher Rezeption, sondern schulwissenschaftliche Dogmatik und bequeme Voreingenommenheit. Das 21. Jahrhundert muss jedoch neben der immer mehr perfektionierten und ausgebreiteten technischen Welt ebenso eine Welt des verständnisvollen Umganges mit den Lebenskräften kultivieren, welche Stätten zukunftsfähiger Entwicklung dem technischen Martyrium zur Seite stellt. Dies ist die letzte Chance des Abendlandes, dessen „Untergang“ ansonsten besiegelt sein wird.

Andreas Pahl

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Ein Pionier des ökologischen Bewußtseins

 Franz Alt war früher Mitglied der Christlich Demokratischen Union gewesen. Eine Partei, welche vom Namen her auch eine bewahrende Haltung zur Schöpfung zu pflegen hätte! Jedoch reichte die Praxis für Franz Alt bei weitem nicht aus, der dieses Anliegen besonders ernst nahm. In den achtziger Jahren war der Journalist ebenfalls für die Friedensbewegung eingetreten und hatte sogar Verständnis für gewaltlosen Widerstand gezeigt, etwa gegen Atomraketen und dem Bau von Atomkraftwerken. Wohl deswegen wurde ihm die Leitung des beliebten Fernseh-Journals "Report Baden-Baden" genommen.

Seitdem arbeitete sich Franz Alt insbesondere in die Umweltproblematik ein und machte sie auf verschiedenen Wegen einer Öffentlichkeit publik. Seine gewinnende Art findet auch in mehr konservativen Kreisen Beachtung - und führte bei vielen zu einem Umdenken.

Ein neues Buch von ihm trägt den Titel "Zukunft Erde - Wie wollen wir morgen leben und arbeiten?"

Ein Zukunftsblick verdeutlicht, daß die Ökologie kein Neben- oder Luxusthema ist. Es werden Erdgas, Erdöl und auch Uran in wenigen Jahrzehnten verbraucht sein. Und auch das Ende von Kohleförderung kündigt sich bereits an. Damit einher gehen steigende Preise, heftige Verteilungskämpfe bis hin zu Kriegen und eine zunehmende atmosphärische Belastung. Es ist also einfach vernünftig, bereits heute auf dezentrale und erneuerbare Energien aus Sonnenkraft, Wind und Wasser, Erdwärme und nachwachsendes Pflanzenmaterial zu setzen.

Eine Umstellung auf gesunde Ernährung erweist sich als ebenso vernünftig. Franz Alt weist auf den prozentualen Anteil vom Monatslohn, der für Ernährung ausgegeben wird. Der war noch vor vierzig Jahren weitaus höher als heute. Da ist eine gewisse Mehraufwendung für ökologische Lebensmittel doch zu verkraften. Jedenfalls sind die Folgekosten einer ungesunden Lebensweise weitaus höher. Das gilt für den persönlichen, aber auch im gesellschaftlichen und besonders im Umweltbereich. Man denke nur an die Nutztiere, denen eine angemessene Lebensweise im industrialisierten Massenbetrieb vorenthalten wird!

Ein weiteres Thema ist unser Umgang mit dem Wasser. Reines Trinkwasser benötigen wir eigentlich nur in geringen Mengen, verbrauchen aber ein Vielfaches davon, das dann verschmutzt und aufwendig zu reinigen ist. Dabei gibt es intelligent gebildete Konstruktionen, wobei Brauchwasser nur leicht aufbereitet noch für weitere Zwecke zu verwenden ist. (Eine Toilettenspülung benötigt nun wirklich kein Trinkwasser.)

Ebenso ist die Industrie gefragt, nur solche Stoffe herzustellen, die leicht abbaubar sind und dem Naturkreislauf wieder übergeben werden können. Das extremste Gegenteil davon sind die radioaktiven Hinterlassenschaften der Atomwirtschaft.

Doch gibt es bereits viele gute Beispiele. So erwähnt Franz Alt den Freiburger Solararchitekten Rolf Disch, welcher Plusenergie-Häuser konstruiert und mehrere davon gebaut hat. Es sind Häuser, die noch Energie übrig haben und ins Stromnetz einspeisen anstatt diese von dort zu entnehmen. Konsequente Solartechnik und eine geschickte Bauweise machen das möglich.

Zum Thema der zukünftigen Arbeit weist Franz Alt auf die fortgeschrittenen Teilzeitmodelle in Holland sowie auf die Einführung eines "Sabbat-Jahres" in Dänemark. Dort kann jemand nach einer Anzahl von Jahren in beruflicher Tätigkeit dann ein Jahr lang bei geringeren Bezügen freinehmen - und vielleicht einmal ganz anderes ausprobieren. Was wiederum Arbeitsplätze für andere Menschen ermöglicht, ist damit eventuell auch ein Beginn für neue Ansätze.

Eine insgesamt ökologischere Ausrichtung der Wirtschaft schafft auf jeden Fall eine Vielzahl neuer Arbeitsmöglichkeiten, was angesichts der heutigen Lage auch hier das einzig Sinnvolle ist.

Jürgen Kaminski

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Ökobäcker und die Münchner Hofpfisterei

 Nach 20 Jahren emsigen Wirkens an Teigkneter und Ofen fasste Bäckermeister Frank Maser aus Bempflingen im Sommer 2002 den Entschluss, endlich backen zu lernen. Blanke Not diktierte die Entscheidung, denn in dem 3000-Seelen-Ort bei Reutlingen hatte Lidl eine Filiale eröffnet, und der Umsatz der Bäckerei Maser war um 30 Prozent eingebrochen. „Wir standen vor der Wahl, aufzuhören oder etwas total anderes zu machen“; sagt der 39-Jährige. „Da hatte meine Frau die Idee, ganz ohne Chemie zu backen. Maser versuchte sich nach Feierabend mit den Zutaten, die den Bäckern viele Jahrhunderte lang genügt hatten: Mehl, Wasser und Salz.

Das mutige Unterfangen, ohne die zahllosen Hilfsstoffe der Backmittelindustrie Essbares und Ansehnliches herzustellen, ging zunächst „voll in die Hose“. Die Brötchen waren kaum mehr als pralinengroß, die Brezeln sahen aus wie kranke Würmer - ein Schock für den gestandenen Meister. „Ich musste feststellen, dass ich vom richtigen Backen keine Ahnung hatte", bekennt Maser. „Ich hatte es nie gelernt. Mein ganzes Leben war ich bloß ein Tütenbäcker gewesen. Ich konnte nur Fertigmischungen in die Rührmaschine kippen.“ Vom Vater, ebenfalls Bäckermeister, war kein Beistand zu erwarten. „Der konnte auch nicht backen l"

Maser experimentierte weiter, besuchte Fachseminare über Sauerteig, studierte vergilbte Bücher und kam der alten Kunst allmählich auf die Schliche. Er begriff, dass Sauerteig das beste Backmittel ist und dass kein noch so narrensicheres lndustriepulver das Brot so wohlschmeckend und haltbar macht wie er - dieser launische Brei aus Säurebakterien und Hefen, der bis zur Backreife rund 24 Stunden umhegt sein will. Er lernte, dass die lange Gärung im Mehl vorhandene Stoffe abbaut, die der Verdauung nicht förderlich sind. Echtes Sauerteigbrot, so erkannte Maser, ist das bekömmlichste und gesündeste Brot überhaupt.

Nach eineinhalb Jahren harter Fron zog Maser schließlich Backwaren aus dem Ofen, die ihn zufrieden machten – ganz ohne Backchemie. - Bald strömten die Kunden sogar von der Schwäbischen Alb und aus Reutlingen herbei und brachten ein Umsatzplus von 50 Prozent. Weil Masers Kosten durch den Verzicht auf teure Fertigmehle und Pülverchen deutlich gesunken waren, machte er sogar wieder kräftig Profit.

 In der größten deutschen Öko-Brotproduktion wird nur Getreide verwandt, das 300 Bio-Bauern in die hauseigene Mühle liefern. Das Brot wird mit viel Aufwand in langer Sauerteigführung verarbeitet und in maßgeschneiderten Öfen langsam und schonend gebacken. 1947 begann die Hofpfisterei mit dem Backen, seit 1993 ist das ganze Sortiment auf Öko umgestellt. Heute produziert sie täglich 20 000 Brote und hat sich trotz ihrer saftigen Preise (rund 4,10 Euro für ein Kilo) in München einen Marktanteil von erstaunlichen 20 Prozent erobert. Die 31 verschiedenen „Pfister-Brote", meist zwei Kilo schwere Rundlaibe, gehen in 140 eigenen Verkaufsfilialen und 700 Einzelhandelsgeschäften über die Ladentheke. Außerhalb Süddeutschlands liefert die Hofpfisterei ihr Brot an mehrere hundert Kunden auf dem Postweg aus (www. hofpfisterei.de).

Während heute in den meisten Bäckereien dem Teig zwischen Mischen und Backen kaum zwei Stunden Zeit gelassen werden, darf er bei den Münchnern 24 Stunden gären. Anschließend walken 40 Jahre alte „Hubkneter" gemächlich den Teig - Maschinen, die in anderen Betrieben längst ausgemustert wurden.

„Der Unterschied zwischen unserem Backen und dem, was in einer normalen Bäckerei passiert, ist gigantisch, sagt Bäckermeister Bernd Hoffmann. Jeder Steinofen, in dem der Verkaufsschlager „Sonne" der Vollendung entgegenbrutzelt, hat seine eigene Aufheizzeit und Backtemperatur. „Man muss die Öfen einzeln kennen und über ihre heißen und kühleren Ecken Bescheid wissen.“ Zuerst werden sie mit Gasbrennern auf 450 Grad aufgeheizt. Dann lässt man der Wärme sieben Stunden Zeit, sich gleichmäßig im Schamottgestein zu verteilen. Erst dann kommen die Brote in die Öfen - wobei die jeweilige Ofentechnik eine große Rolle spielt. „Backt man ein und denselben Teig in unterschiedlichen Öfen“, sagt Pfisterei-Sprecher Friedbert Förster, „entsteht ein völlig anderes Brot mit ganz anderen Aromastoffen.“

„Offenbar sind die Ökos die Retter der deutschen Brotkultur“, musste unlängst die „Frankfurter Allgemeine" feststellen. Dem Bempflinger Bäcker Frank Maser je-

denfalls hat die Umstellung von Backmittel auf Naturrein die Existenz gerettet, ihm mehr Arbeit, mehr Umsatz und „viel mehr Spaß" gebracht. Schließlich trug der Verzicht auf die chemischen Hilfsstoffe sogar Früchte, mit denen Maser nicht gerechnet hatte: Früher kränkelten seine Frau und seine Tochter häufig, nach Ansicht des Hausarztes wegen der Chemikalien in Backmitteln - heute sind beide beschwerdefrei.

Aus einem Beitrag von Markus Grill und Gerd Schuster

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Was sucht ein Ratten-Gen im Salat?

 Naturgemäß gar nichts. Im Gentechnik-Labor jedoch werden Artgrenzen ignoriert. Hierin unterscheidet sich die Gentechnik gravierend von der Züchtung. Mit dem Ratten-Gen sollte beispielsweise im Salat der Vitamin C-Gehalt gesteigert werden. Viele solcher Produkte mögen nie auf den Markt gelangen - andere aber  schon. In den USA, Kanada und Argentinien werden Pflanzen angebaut, in die Gene von Bakterien oder Viren hineinmanipuliert wurden, um sie unempfindlich gegen Insektenfraß und Pestizide zu machen. Während in Deutschland als Gen-Food deklarierte Lebensmittel kaum Absatz finden, wird jedoch Gen-Soja und Gen-Mais in rauen Mengen an Tiere verfüttert. Über die Wurst, die Milch oder das Spiegelei landet die Gentechnik so auf dem Teller.
Die Grundannahme der Gentechnik, ein Gen sei nur für eine Funktion verantwortlich, ist wissenschaftlich längst überholt. Ein Gen, das zum Beispiel von den Gentechnikern für das Wachstum einer Tomate verantwortlich gemacht wird, kann darüber hinaus noch für zahlreiche andere Eigenschaften dieser Pflanze verantwortlich sein. Zudem ist Gen nicht gleich Gen. Seine Funktionen werden durch das jeweilige Umfeld bestimmt. Anders ist es nicht zu erklären, daß etwa das Erbgut von Mensch und Affe zu 99 Prozent übereinstimmen. Genmanipulierte Pflanzen bergen unkalkulierbare Gefahren für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. So können in genmanipulierten Lebensmitteln neue Giftstoffe oder neue Eiweißstoffe entstehen, die Allergien auslösen. Wissenschaftliche Langzeitstudien zu Risiken von Gen-Food gibt es nicht. Niemand kann die Folgen vorhersehen. Genmanipulierte Pflanzen beachten auch keine Ackergrenzen. Einmal in die Umwelt gesetzt, sind sie nicht mehr rückholbar und breiten sich unkontrolliert aus. Etwa durch Pollenflug oder Insekten gelangte das veränderte Erbgut in herkömmliche Pflanzen.
In Nordamerika kämpfen Landwirte inzwischen mit sogenannten Superunkräutern, die durch die Ausbreitung von Gen-Pflanzen entstanden und resistent gegen Spritzmittel geworden sind. Um sie zu vernichten, werden hochgiftige Pestizide in immer größeren Mengen eingesetzt.
In Kanada beispielsweise ist es kaum noch möglich, gentechnikfreien Raps zu ernten. Der Gen-Raps hat sich über Pollenflug und verunreinigtes Saatgut fast flächendeckend ausgebreitet. Viele kanadische Ökobauern haben deshalb bereits den Anbau von Raps komplett aufgegeben. Ihnen sind so wichtige Absatzmärkte verloren gegangen. Sie fordern jetzt Schadenersatz von den Gen-Konzernen Monsanto und Bayer. Ein ungleicher Kampf.
Von Seiten der Politik und der Industrie wird die Wahlfreiheit der Verbraucher immer wieder angeführt. Verbraucher sollen angeblich wählen können zwischen Produkten mit und ohne Gentechnik. Was jedoch Wahlfreiheit genannt wird, ist das Einfallstor der Gentechnik. Denn wenn Gentechnik einmal Fuß fasst, werden Gen-Pflanzen sich bald auf unseren Äckern ausbreiten. Dann gibt es keine Wahl mehr: weder für Landwirte noch für Verbraucher.
Rund 80 Prozent aller Gen-Pflanzen - maßgeblich in den USA, Kanada und Argentinien angebaut - wandern in die Futtermittel von Rindern, Schweinen und Hühnern. Eier, Milch und Fleisch müssen aber auch dann nicht gekennzeichnet werden, wenn die Tiere massiv mit Gen-Soja und Gen-Mais gefüttert wurden. Damit fehlt den Verbrauchern die wesentliche Information, wenn sie Gentechnik konsequent meiden wollen. Über den Einkauf von Schnitzel, Ei und Buttermilch wird so ungewollt der Anbau von Gen-Soja in den USA finanziert.
Seit Mitte April 2004 müssen alle Lebensmittelhersteller die neue, strengere Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Produkte anwenden. Die Kennzeichnung findet sich versteckt in der Zutatenliste und lautet zum Beispiel "gentechnisch verändert", "aus gentechnisch verändertem Soja hergestellt" oder, "enthält gentechnisch veränderten Mais".
Die Kennzeichnungspflicht gilt für: Lebensmittelzutaten aus gentechnisch veränderten Organismen wie Soja, Mais und Raps - auch deren Verarbeitungsprodukte wie Soja- ungd Rapsöl, Sojalecithin, Maisstärke.

Bislang mußten Lebensmittel nur markiert werden, wenn die veränderte Erbinformation im Endprodukt nachweisbar ist. Bei hochverarbeiteten Nahrungsmitteln wie Ölen gelingt das Aufspüren manipulierter Gene nahezu nie, da diese im Laufe der Produktion zerstört oder herausgefiltert werden. Die neue Verordnung schließt diese Lücke. Ob nachweisbar oder nicht: Sobald Zutaten aus gentechnisch veränderten Pflanzen ins Lebensmittel gewandert sind, muß gekennzeichnet werden.
Für Tierfutter aus gentechnisch veränderten Organismen wie Sojaschrot und Mais gilt ebenfalls die Kennzeichnungspflicht. Damit weiß der Landwirt endlich, ob Gentechnik im Futtertrog landet.
Die Kennzeichnungslücke bleibt bei: Produkten von Tieren (Eier, Milch, Fleisch), die mit Gentechnik gefüttert wurden. Diese Produkte müssen nicht gekennzeichnet werden. Damit wandern etwa 80 Prozent aller derzeit angebauten Gen-Pflanzen (Soja, Mais und Raps) als Futtermittel in die Nahrungskette, ohne für den Verbraucher erkennbar zu sein.

Weil die gesetzlichen Regelungen unzureichend sind, was die Fütterung der Tiere betrifft, landet über diesen Umweg die Gentechnik doch bei den Verbrauchern. Firmen, die in diesem Ratgeber einen roten Punkt haben, weigern sich bisher noch, gentechnikfreie Futtermittel für ihre Produkte zu garantieren.

Eine offene Frage: Derzeit ist strittig, ob Stoffe, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Bakterien oder Hefen hergestellt werden, wie zum Beispiel Geschmacksverstärker oder Vitamine, auch gekennzeichnet werden müssen.

Bisher mussten sie es nicht. Mehr Transparenz ist auch hier wünschenswert. Greenpeace setzt sich in erster Linie gegen den Anbau von Gen-Pflanzen ein. Denn diese werden massenhaft in der Natur freigesetzt und gefährden die Umwelt. Zusatzstoffe werden hingegen in Fabriken hergestellt und landen zum Beispiel in Fertigprodukten wie Tütensuppen oder Ketchup.

Die Verbraucher haben entschieden: Sie wollen keine Gentechnik. Drei von Emnid im Oktober 2003 durchgeführte Umfragen bestätigten erneut, dass die große Mehrheit der Verbraucher in Deutschland Gentechnik weder in Lebensmitteln, im Tierfutter noch im Saatgut haben will. Diese Ablehnung nehmen die meisten Lebensmittelhersteller sehr ernst. Die allermeisten vermeiden konsequent alle Zutaten, die kennzeichnungspflichtig sind. Unternehmen wie Wiesenhof, Ritter Sport, Du Darfst/ Unilever, tegut, Edeka Nord, Milupa, Hipp, die Neuform Reformhäuser und die Öko-Hersteller stellen sich ihrer Verantwortung gegenüber Umwelt und Verbrauchern und vermeiden Gen-Pflanzen auch bei Fütterung von Tieren.

Damit trotzen sie dem Diktat der Gen-Konzerne und großen Teilen der Futtermittelwirtschaft, die Verbrauchern, Landwirten und Herstellern einreden wollen, dass es hier keine Auswahl geben kann. Auch Handelsunternehmen wie Aldi, Lidl, Rewe, Metro haben sich hier noch nicht konsequent genug auf die Seite der Verbraucher gestellt. Immer wieder wird Greenpeace von Herstellern informiert, dass die übermächtigen Handelshäuser nur die Preise drücken und der gentechnikfreien Qualität nicht genug Platz im Regal geben wollen.

Gentechnik, chemische Spritzmittel und schlechte Tierhaltung sind in der ökologischen Landwirtschaft tabu. Strenge Kriterien und Kontrollen gewährleisten, dass der Verbraucherteller gefüllt ist mit Produkten, die gut schmecken und gesund sind. Sie können ökologisch erzeugte Produkte am Bio-Siegel erkennen oder an den Zeichen der Anbauverbände wie Bioland, Naturland oder Demeter. Eine große Auswahl dieser Produkte finden Sie in allen Naturkostläden.

Einige Firmen produzieren sowohl ökologische Produkte als auch konventionelle. Molkereien wie Berchtesgadener Land, die Andechser Molkerei und die Molkereigenossenschaft Hohenlohe-Franken bieten in großem Umfang Bio-Produkte an. Überall dort, wo Bio draufsteht, können Sie sich auf Gentechnikfreiheit verlassen.

Aus dem Ratgeber vom Greenpeace-Einkaufsnetz, D-22745 Hamburg

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 Zugriff zu den Krankheitdaten

 Der Arzt Wilfried Deiß veröffentlichte im Juli 2006 in einem Rundbrief seine Bedenken gegen ein neues Vorhaben der Bundesregierung. Es geht um die geplante Einführung einer "elektronischen Gesundheitskarte", der sogenannten eCard.

Bisher sind die Patienten zwar meist schon Besitzer einer elektronisch lesbaren Chipkarte, welche jedoch vor allem der Identifizierung dient. Was jetzt folgen soll, ist von ganz anderer Machart. Die eCard ist Teil eines gewaltigen Sytems, mit dem der ganze Gesundheitsbereich zentral erfaßt und gesteuert werden soll.

Im Mittelpunkt des zunächst deutschlandweiten Netzes befinden sich Großrechner, in denen alles gespeichert sein soll, was an Aufzeichnungen über irgendeinen Patienten existiert. Diese gab es bisher allein dezentral in der Praxis des jeweilig verantwortlichen Arztes und waren geschützt durch das Gebot der ärztlichen Schweigepflicht. Nur in der unmittelbaren Übermittlung wurde etwas davon beispielsweise an den zugezogenen Facharzt gegeben.

Wilfried Deiß schreibt, daß es wichtig ist, daß dabei der menschliche Bezug maßgeblich beteiligt ist. Auf ihn stützt sich das Vertrauensverhältnis zum Patienten. Doch mit dem Zentralsystem wird dann an erster Stelle erstmal der Umgang mit dem Computer treten. Die Einsicht kann nämlich nur erfolgen, wenn Arzt und Patient ihre Karten beide in ein Gerät gesteckt haben, was eine Sicherungsmaßnahme sein soll. Jedenfalls ist der Doktor dann zunächst mit der Entzifferung des Bildschirms befaßt, was ihm vordem ja nicht möglich ist. Kostbare Zeit geht verloren, während der Patient danebensitzt. (Wie es nach der intensiven Bildschirmbetrachtung mit der ärztlichen Wahrnehmungs- und Intuitionsfähigkeit bestellt ist, wäre auch zu fragen.)

Der Zugang zum Internet bleibt dann während der ganzen Behandlung bestehen. Es müssen ja auch Eingaben erfolgen. Ein untersinnliches Drittes ist also immer mit dabei. Da das System zum globalen Internet mit dazugehört, ist es auch dessen Risiken ausgeliefert. Das Eindringen von Hackern in geschützte Bereiche gehört zum Alltag des Systems. Die vertraulichen Patientendaten genießen schon von daher einen unzureichenden Schutz. Über die Schweigepflicht wacht nicht mehr nur ein Arzt, sondern der Mechanismus eines Systems.

Wilfried Deiß macht ebenfalls darauf aufmerksam, daß es ein Kontrollbedürfnis bestimmter staatlicher Stellen gibt. Wo man also gerne Zugriff auf zentral gelagerten Datensammlungen hätte! Es ist bekannt, daß in mancher Software sogenannte Hintertüren (Backdoors) eingebaut sind, welche ein Eindringen in das System erlauben. Das geschieht etwa in Erwartung von Gesetzesänderungen, die den Zugriff dann legal gestatten würden.

Von einer sicheren Verwahrung intimer Aufzeichnungen kann also in Verwirklichung solcher Planung nur sehr eingeschränkt die Rede sein. Vielmehr wären diese noch anderen Gefahren ausgesetzt. Man stelle sich vor, was elektronische "Viren" alles anrichten könnnen, sollten sie in ein solches System gelangen. Oder aus irgendeinem anderen Grund sind die Daten nicht mehr zugänglich, vielleicht ganz verschwunden. Dann wäre tatsächlich die menschliche Begegnung das einzig Helfende!

Jürgen Kaminski

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gesundheit aktiv. anthroposophische heilkunst e.v.

 (ehemals Verein für Anthroposophisches Heilwesen e.V.) mit Sitz in Bad Liebenzell-Unterlengenhardt (nördl. Schwarzwald) wurde 1952 gegründet mit dem Ziel, für eine zukunftsorientierte Medizin auf anthroposophischer Grundlage zu wirken. Er ist als gemeinnützig anerkannt.

Mitglieder des Vereins sind über 8.500 Privatpersonen und etwa 100 Organisationen. Die Finanzierung erfolgt ausschließlich über Mitgliedschaften, Abonnements, Spenden und den Verkauf von Broschüren.

Zur Realisierung seiner Ziele entwickelte gesundheit aktiv. anthroposophische heilkunst e.v. drei Tätigkeitsfelder:

Bewusstseinsbildung
Vertrieb von Broschüren zu vielen Lebensbereichen für eine bewusste Lebensführung.
Vorträge und Kurse bundesweit.
Gesundheitspolitik
Der Verein strebt eine gesundheitspolitische Mitsprache auf Landes- und Bundesebene sowie innerhalb der EU an, mit dem Ziel der Therapie und Verordnungsfreiheit.Mitarbeit in verschiedenen anderen Verbänden wie im Europäischen Verbraucher-Verband für Naturmedizin (E.F.N.M.U.), im Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMID) und im Europäischen Patientenverband für Anthroposophische Medizin (E.F.P.A.M.).
Der Dialog mit Krankenkassen wird angestrebt.
Organisation und Unterstützung von gesundheitspolitischen Aktionen wird angeboten
Realisierungen
Gründung von örtlichen Patienteninitiativen im Bundesgebiet sowie im Ausland unter Beteiligung von dort ansässigen Ärzten, Therapeuten und Laien.
Beratende Unterstützung bei der Gründung von Therapeutika.
Zusammenarbeit mit therapeutischen Einrichtungen auf anthroposophischer Grundlage wie Krankenhäuser und Sanatorien.

Johannes-Kepler-Str. 56, D-75378 Bad Liebenzell-Unterlengenhardt, Postfach 11 10, D-75375 Bad Liebenzell, Telefon (0 70 52) 93 01-0, Telefax (0 70 52) 93 01-10
verein@gesundheitaktiv-heilkunst.de www.heilwesen.de

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 Mit Krebs leben

 Ich war knapp 20 Jahre alt und mitten im Abitur, als ich merkte, dass ich kaum noch belastbar war. Ich war blass, abgemagert, schlapp und hatte ständig Krämpfe im Bauch. Irgendetwas stimmte nicht. Nur: Was? Ich ignorierte die Schmerzen und machte die Prüfungen. Aber alles hat mich maßlos angestrengt. Anfang Juni bin ich dann doch zum Arzt gegangen.

Schnell stand fest: Da wächst ein Tumor am Eierstock. Ich musste ins Krankenhaus. Für mich kam nur die Filderklinik in Frage. Ich wohnte damals bei meinen Eltern in Mannheim, Stuttgart war nicht so weit. Am Tag nach meinem 20. Geburtstag wurde ich operiert. Die Ärzte haben beide Eierstöcke, die Gebärmutter und ein Stück Dickdarm entfernt. Kurz darauf stand die exakte Diagnose: Ovarialsarkom, ein sehr seltener, sehr aggressiver Tumor. Prognose: miserabel. Es war nicht sicher, ob ich Weihnachten noch erleben würde. Ich hatte die WahI: Chemo- oder Misteltherapie. Zehn Tage lang habe ich nachgedacht. Dann war mir klar: Eine Chemotherapie würde ich nicht überleben. Ende Juli habe ich begonnen, Mistel zu spritzen. Ende August war an der operierten Stelle wieder ein Tumor gewachsen, so groß wie eine Orange. Es war sehr bedrohlich, und ich hatte Angst. Trotzdem habe ich meinen Tagesablauf immer so organisiert, dass irgendetwas Schönes darin vorkam.

Ein Jahr lang bestimmten Misteltherapie und Heileurythmie meinen Alltag. Dann zeigten die Computertomogramme: Der Tumor wächst nicht mehr, er kapselt sich ab. Ein gutes Zeichen, denn dann ernährt ihn der Körper nicht mehr. Für mich begann damit ein neues Leben: Ich fing an zu studieren, ich zog zu Hause aus, ich wollte nicht immer mit Samthandschuhen angefasst werden.

In den folgenden Jahren ist der Tumor immer weiter eingetrocknet, bis er 1994 ganz verschwunden war. Damit wurde auch das Blutbild wieder normal, und ich spürte einen nie gekannten Energieschub. Ich schrieb meine Diplomarbeit und ich jobbte, um mir eine Reise nach Australien und Neuseeland zu ermöglichen - ein Traum, den ich schon seit dem Abi vor mir herschob. Vier Monate wanderte ich mit dem Rucksack allein durch diese Länder. Damals habe ich die Liebe zum Wandern entdeckt - es ist heute noch meine große Leidenschaft.

Seit Februar 1995 arbeite ich als Sozialpädagogin in einem Wohngruppen-Projekt für Behinderte in Hamburg, was mich sehr ausfüllt. Seit 1999 spritze ich keine Mistel mehr. Ich achte auf meine Körpersignale. Wenn ich Verdauungsprobleme habe, weiß ich: Ich brauche Ruhe. Hormone nehme ich keine. Ich fahre viel Fahrrad, ich reise und ich wandere - in den Alpen, im Himalaya, in Zentralasien, wo auch immer. Ich fühle mich gesund und ich bin es auch.

 Ulrike Benkart in „Medizin individuell“ vom Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke

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Eulenspiegel – News

 Spenden für die politische und  kulturelle Arbeit

Unsere politische und kulturelle Arbeit haben wir über viele Jahre im wesentlichen aus eigenen Mitteln bezahlen können. Doch enger werdende Finanzmittel lassen uns nun um ihre Mithilfe durch Spenden bitten. Jedermensch-LeserInnen unterstützen unsere Arbeit ja seit langem durch erhöhte Abozahlungen und Spenden. Ohne diese Hilfe würde es die Zeitschrift vermutlich nicht mehr geben. Dafür ein herzliches Dankeschön.

Doch wir sind dringend darauf angewiesen, mehr Spenden wie bisher zu bekommen, damit sich die Last der ja gleichbleibenden Arbeit auf mehr Schultern verteilt. Sie können uns gerne mitteilen für welche Arbeit Sie ihre Spende einsetzen wollen:

·                     jedermensch (Aufwandsentschädigungen für Fahrtkosten, Redaktionelle Arbeit u.ä.)

·                     Arbeitszeit für Kulturprogramm

·                     Kulturprogramm Druck und Versand

·                     Referenten und Künstler (Gagen, Fahrtkosten und Spesen)

·                     sonstiges

Bitte benutzen Sie den beigelegten Überweisungsträger und geben Sie ein Stichwort an. Der Empfänger diese Spenden ist der Verein Modell Wasserburg e.V., der auch in der Lage ist, entsprechende Spendenbescheinigungen auszustellen. Dazu schreiben Sie Ihren Absender deutlich oder setzen sich mit uns extra in Verbindung.

Modell Wasserburg e.V,. Dorfstr. 25, 88142 Wasserburg, Telefon und -fax: 08382-89056 (auch Anrufbeantworter) oder email eulenspiegel.wasserburg@t-online.de

 Finanzlage

Die immer noch angespannte finanzielle Situation im Eulenspiegel führte zu zwei Maßnahmen. Zum einen wurden die Kreditrückzahlungen des Bürgschaftskredites um vier Monate verlängert. Das bedeutet, das wir in diesem Jahr rund 3500 € weniger zurückzahlen müssen, aber der Kredit nach hinten verlängert wurde und die Bürgen damit vier Monate länger bürgen müssen.

Gleichzeitig haben eine verstärkte Einwerbung von Spenden und Beiträgen vorgesehen. Sollte dies nicht im gewünschten Maß gelingen, werden wir für 2008 Kürzungen im Kulturbereich vorsehen müssen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu ermöglichen. Dieter Koschek und Günter Edeler werden ihre Arbeit für den Kulturraum ehrenamtlich verrichten müssen. Gleichzeitig stellen wir das Erscheinen unseres gedruckten Programms auf viermonatiges Erscheinen um, damit sparen wir an Druck- und Versandkosten. Zudem gibt es das Programm nicht mehr umsonst, sondern die Empfänger werden um Kostenbeiträge gebeten. Auch mögliche Honorare und Kostenerstattungen für Referenten und Künstler sind ohne ihre Unterstützung nur eingeschränkt möglich.Und für den Zuschuss für das Lay-out des „jedermensch“ brauchen wir unbedingt Spenden.

 Dachboden isoliert

Mit Hilfe eines zweckgebundenen Kredits und der Arbeit von Günter Edeler und Klaus Korpiun konnte nun der Dachboden über der Wohnung im Anbau isoliert werden. Deutlich sichtbar war im Winter bereits der Dämmeffekt, indem der Schnee auf dem Dach liegen blieb. Dadurch wird der Dachboden besser nutzbar und wir erhoffen damit mehr Platz für die Archivkisten auf dem Hauptdachboden.

 Zimmer frei

Wir haben Zimmer frei. Im Holzhaus, im ersten Stock, sind nun unsere Mieter wieder ausgezogen, somit haben wir nun die Möglichkeit ein Zimmerkonzept zu erstellen. Erste Gedanken gehen davon aus, auch das Büro umzusiedeln, und zwar unters Dach. Dann könnten im Haupthaus zwei Zimmer im ersten Stock vielleicht als Fremdenzimmer genutzt werden. Aber eine Modernisierung der Zimmer kostet Geld, das wir derzeit nicht haben. Eine Vermietung im Holzhaus erscheint im Winter nicht sinnvoll, da die Energiekosten dann zu hoch sind gegenüber einer möglichen Mieteinnahme. Hier ist die alte und ungedämmte Substanz das Problem.

 50 Jahre jedermensch

Am 12. Mai 1958 erschien die erste Ausgabe der „Gedrängten Wochenübersicht für Jedermann“.
Nach 10 Probenummer begann das regelmäßige 14tägige Erscheinen. Als Herausgeber werden Jan-Peter Enns, Walter Hansen, Ulle Weger und PeterSchilinski genannt. Die Artikel und Nachrichten werden von den drei imaginären Mitarbeitern Michel, Holzauge und Jedermann kommentiert. Der Hauptbeitrag befasste sich mit der Volksbefragung über die Atom-Bewaffnung und hieß „Haben wir wirklich so schlechte Erfahrungen mit dem Volk gemacht?“ und war – wie vermutlich alles andere – von Peter Schilinski verfasst.
Das Einzelheft kostete 15 Pfennig und 1,50 DM das Abonnement im Vierteljahr. „Bei Nichterscheinen infolge höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Entschädigung oder Nachlieferung.“

 Case Caro Carrubo – Ferienhaus in Sizilien

Die Situation in Sizilien hat sich geklärt. Nunzio Taranto hat das Projekt verlassen und lebt zwischenzeitlich in der Schweiz. Renate Brutschin wird die kleine Kultur- und Begegnungsstätte nahe bei Comiso in Sizilien vorerst allein weiterführen. Das ist natürlich nicht einfach und auch nicht gewünscht. Renate hofft auf weitere MitarbeiterInnen, die sich vorstellen können bei einfachstem Lebensstandart Träume und Ideen zu verwirklichen. Dabei ist neben der Erhaltung des Landes, den Erfolgen bei den Aufforstung, dem landwirtschaftlichen Arbeiten (Mandeln- und Olivenanbau) sowie dem Biogarten das Ferienhaus ein wichtiger Standbein. Wer mithelfen will, das mehr Feriengäste wie bisher nach Case Caro Carrubo kommen, kann bei uns Prospekte zum Verteilen anfordern, oder gleich einen Urlaub in Sizilien planen. Informationen bei Klaus Korpiun 08382-23552 – oder direkt in Sizilien unter: 0039-3393154580

 Bioeinkaufsführer im dritten Jahr.

Auch dieses Jahr erscheint auf Initiative von Dieter Koschek ein Einkaufsführer für die direktvermarktenden Biobauern unserer Region. Damit soll versucht werden, dass auch kleine Betriebe am Bio-Boom teilnehmen können. Auch bei starkem Wachstum der Bio-Branche ist festzustellen, das dies meist zugunsten der Bio-Supermärkte und der normalen Discountern mit ihrer Bio-Linie  geschieht. Aufgrund deren Preisdrucks können die kleineren Familienbetriebe oft nicht mithalten und sind sogar existenziell bedroht.

 Milas

Das Projekt in Indonesien feierte seinen 10. Geburtstag. Da konnte auch ein langjähriger Traum der Gründerin Ebby Litz in Erfüllung gehen. Das vegetarische biologische Restaurant, dem der Eulenspiegel in Wasserburg geistig Pate stand. Aus dem letzten Rundbrief: „Das gesamte Ackerland von über 1600 Quadratmetern ist nun erschlossen und bestellt. Die erste Ernte war zufriedenstellend und die Bauern pflanzen und ernten fleißig weiter. Aufgrund des regenreichen Klimas an den Hängen des Vulkans Merapi mussten die Beete teilweise mit Plastikplanen überdacht werden. Im Gegensatz zur Trockenzeit, gibt es nun zu viel und nicht zu wenig Wasser. Wie oft: Indonesien, ein Land der Extreme.

Dank eurer Hilfe konnten wir für die kommende Trockenzeit eine Wasserpumpe mitsamt Generator anschaffen, um die Zukunft unseres Ökologischen Anbauprojektes weiter zu sichern.

In Zusammenarbeit mit ihren ehemaligen Ausbildern erhalten unsere Bauern nun eine sechsmonatige Supervision, in der das, in den weit entfernten Bergen Boggors erlernte, noch effizienter an den lokalen Anbau-Kontext angepasst werden soll.

Mit den Ernteerträgen wird selbstverständlich in erster Linie die Milasküche beliefert. Des weiteren gibt es seit Oktober zweimal die Woche einen Gemüseverkaufsstand am Eingang des Milas sowie auch einen Vitrinenkühlschrank, in dem das Gemüse während der Restaurant-Öffnungszeiten zum Verkauf angeboten wird.“

Wer mehr über das Straßenkinderprojekt in Yogyakarta wissen will, kann sich an Dieter Koschek/Modell Wasserburg wenden.

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„Leben Gemeinsam Gestalten“

Die Mitglieder der Interessensgemeinschaft für Lebensgestaltung bereiten einen Kongress für Initiativen rund um den Bodensee vor:
Im Kongresszentrum Friedrichshafen, , Graf-Zeppelin-Haus, vom 8.-10.05.2009
Bei dem Kongress werden Begegnungsräume geschaffen. Initiativen präsentieren ihre Themen der Zukunft. Die Aussteller informieren und können so aktiv für ihre Arbeit werben, Spendengeber und Kunden gewinnen. Eine Zusammenarbeit und Vernetzung unter den Initiativen ist in der Zukunft erwünscht.
Das detaillierte Programm wird erstellt. Ein „Markt“ durch die Aussteller findet statt. Mit „open space“-Methode wird durch die Teilnehmer unter den 7 Themenblocks ausgewählt. Im Rahmenprogramm sind Vorträge, Musik und künstlerische Darbietungen, Kinder- und Jugendprogramm geplant. Die Themen der Zukunft betreffen die Bereiche:

1.Ernährung/Landwirtschaft/Umwelt:
Produzenten und Hersteller, Vermarkter, Natur- und Wasserschutz, Recycling, Alternative Energien. Verschmutztes Wasser, ausgelaugter Boden, Artensterben, Gentechnik und mangelnde Energieressourcen benötigen die besten Ideen. Die Akteure zu den Themen der Zukunft stellen ihre Arbeit vor.

2.Kunst/Kultur:
Ohne Kunst und Kultur ist alles öde und leer. Der Einfluss der modernen Medien in unseren Alltag lässt sich nicht bestreiten. Wie wirkt sich das auf unser Leben und Kultur aus? Die Vermischung von Altem und Neuem ist längst da. Wer kann etwas darüber berichten? Kulturträger und Vereine mit Zukunftsideen stellen sich vor.

3.Schule/Bildung:
Waldorfschulen, Freie Schulen u.a.m. In der öffentlichen Diskussion ist es nun ganz aktuell: Schüler, die sich nicht einpassen, sei es durch besondere Begabungen oder andersartige Entwicklungsschritte, fliegen aus den Reihen. Mit Rechnen und Schreiben allein kommt heute niemand mehr in „gehobene Positionen“. „ Was braucht der Mensch der Zukunft und wie können wir ihn darauf vorbereiten?

4.Gesundheitswesen:
Patienteninitiativen, Ärzte, Hersteller und Krankenkassen suchen den Austausch, um für den Patienten gute Zusammenarbeit zu finden. Hersteller informieren über individuelle Medikamentation.

5.Wohnen:
Architektur, Mehrgenerationenhäuser, Wohnprojekte. Das Leben kann sozial nicht gut funktionieren, ohne Wohnungen, die das Zusammenleben fördern. Es werden Wohnprojekte und zukünftige Architektur vorgestellt.

6.Neue Wirtschaftsformen - Neuer Umgang mit Geld und Arbeit:
Tauschring-, Regional- und Alternativwährung, Grundeinkommen. In Zeiten der wachsenden Zinsen, der Vereinzelung der Haushalte und der Veralterung der Gesellschaft, wird die nachbarschaftliche Hilfe immer wichtiger. Da sie von Tür zu Tür oft nicht funktioniert oder ausreicht.

7.Bürgerbörsen –büros:
Ehrenamtlich Tätige gestalten bürgernah das Leben um. Bürgerbörsen sind ein wichtiger Vermittlungsplatz.

 Interessengemeinschaft für Lebensgestaltung e.V., Haus Mercurial, Schwarzwaldweg 20, 88239 Wangen, Fon und Fax 07522 / 912 310 mail LGG@gmx.net

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Ulle Weber hat die Schwelle des Todes überschritten

Am Dienstag, den 26. Februar abends gegen 22.30 Uhr ist Ulle Weber in ihre geistige Heimat zurückgekehrt. Wir verlieren mit ihr auf dem irdischen Plan eine unserer Urmütter der jüngeren, anthroposophischen, künstlerischen, sozialgestalterischen Bewegung.

Wer war Ulle Weber?
Geboren im gleichen Jahr wie Joseph Beuys - 1921 - hat sie diesen um viele Jahre überlebt. Und sie hatte durchaus zentrale Berührungspunkte mit seiner Arbeit, ja hat in gewisser Weise sogar mit vorbereitet, was er dann in den 70er und 80er Jahren in eine breite Öffentlichkeit getragen hat: die Voraussetzung zu einem Wirken für die Dreigliederung des sozialen Organismus (Rudolf Steiner) oder den Dritten Weg, wie man das damals nannte.
Zunächst hat sie eine Ausbildung als Schauspielerin absolviert. Dann aber nach dem 2. Welt-krieg, in dessen Folgen sie auch ihren Mann verlor und selbst viele Jahre in einem russischen Lager zubrachte,  wurde sie zur Gründerin der Künstler- und Kunsthandwerkerkolonie "Witthüs" auf Sylt mit Teestube, Werkstätten etc.
Anfang der 50er Jahre fand ihre Begegnung mit der Anthroposophie durch Friedrich Benesch und der Dreigliederung durch Peter Schilinski statt. In den 60er Jahren nahm sie aktiv an der allgemeinen Aufbruchbewegung statt, die ja nicht nur ein politischer Aufbruch war, sondern auch ein künstlerischer. So hat sie in der Hamburger Witthüs-Teestube in den frühen 60er Jahren einmal Mitglieder der Popgruppe "The Beatles" mit belegten Broten verköstigt. Und natürlich waren auch Ulrike Meinhof und Rudi Dutschke in ihren Teestuben zu Gast.
Anfang der 70er Jahre wurde sie Mitbegründerin des Kulturzentrums Achberg (Inka) und hat dort das anthroposophische Humboldt-Kolleg (1977 - 1994) ins Leben gerufen und im Allgäu eine legendäre Schauspielgruppen geleitet. Zum Ende ihres Lebens ist sie wieder nach Sylt - ihrer "Heimat" - zurückgekehrt. Aus all dem erspürt man unschwer, dass sie eben durch und durch Künstlerin war, und dass sie immer im Lern- und Entwicklungsprozeß mit Menschen - hauptsächlich jungen Menschen - war.

Was war Ulle Webers besondere Lebensberufung?
Sie hat nach dem 2. Weltkrieg als Teilhaberin einer Generation, der man die Jugend gestohlen hatte, die junge Demokratie in einem alternativen Sinn mit aufgebaut und zwar mit künstlerischen und kunsthandwerklichen Mitteln (Ich weiß: "Demokratie" hört sich sehr profan an.) Als Frau hat sie dies nicht nur mit Ideen gemacht, sondern insbesondere auch mit pflegerischen, mehr "weiblichen" Mitteln. Sie wurde so auch eine der oftmals verkannten Urmütter einer neuen, anthroposophisch orienterten Bewegung, die sich mehr und mehr nach außen wendete und nicht nur die eigene Innerlichkeit und Spiritualität pflegte. An der Seite von Peter Schilinski stürzte sie sich in das Getümmel der 68er und hat schließlich mit einer großen Anzahl von Bewegern das Kulturzentrum Achberg mitbegründet, das u.a. widerum einer der Ausgangspunkt war, für die Gründung der Grünen Partei.
Wie gesagt - Ulle Weber hat nie große Worte darum verloren, obwohl man bei ihr durchaus auch Rhetorik im wörtlichen Sinne erlernen konnte. Sie hat auf andere Weise gewirkt, mehr im Hintergrund, das Menschliche pflegend und auch die materiellen Voraussetzungen dafür schaffend. So hat sie ihr Achberger Domizil, das kleine Lütthüs in Siberatsweiler, zusammen mit ihrer Freundin Trauthe Nierth eigenhändig aufgebaut.
Wenn etwas Großes und Wichtiges entstehen soll - und das war durchaus die Aufgabe, wenn man einmal den Begriff der Sozialen Plastik von Joseph Beuys ins Spiel bringen darf -, dann müssen immer die unterschiedlichsten, Menschen und Fähigkeiten "zur rechten Zeit und am rechten Ort" zusammenkommen und -wirken. Auch ein Joseph Beuys hätte ohne die Vor- und Mitarbeit von Ulle Weber gar nicht zu seinem Wirken für die Volksabstimmung, etwa im Büro für Direkte Demokratie auf der documenta 5 1972 in Kassel, kommen können. Denn zusammen mit Peter Schilinski  hat sie Anfang der 50er Jahre Unterschriften für eine Volksabstimmung zu Fragen der Wiederbewaffnung Deutschlands gesammelt und sich für dieses demokratische Instrument eingesetzt.
Obwohl Ulle Weber eine durchaus emanzipierte Frau und kein Mauerblümchen war, so oblagen ihr es nicht große oder gar viele Worte zu verlieren. Sie trat immer bescheiden und sachlich, aber mit großem menschlichen Herzen auf. Und es darf ausgesprochen werden, dass sie eine große Frau, je eine Art "Urmutter" der neuen sozialen und künstlerischen Bewegung nach dem zweiten Weltkrieg war, auf deren Schultern wir heute stehen und auf deren gutem Fundament wir weiterwirken können. Auf den Schultern (nicht nur) von Riesen, sondern auch von Riesinnen ...
"Wir dürfen nicht verzagen und sagen: Es hat alles keinen Sinn. Nee, nee: Es hat Sinn!"*)

Rainer Rappmann, für den FIU-Verlag und den Verein zur Förderung der Sozialen Plastik und des Erweiterten Kunstbegriffs, Wangen/Achberg

P.S: Ulle Weber war bei der ersten Ausgabe und folgenden des „jedermensch“ Mitherausgeberin neben Peter Schilinski u.a. Für zwei Jahrzehnte gingen Peter Schilinski und Ulle Weber gemeinsam durchs Leben.

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Lia Maier-Härting

Lia wurde 1951, so erzählte sie, von Peter Schilinski „gefunden“. Beim Flugblattverteilen in Rendsburg öffnete sie ihm eines Tages die Tür. Daraus entstand eine lebenslange Freundschaft und ein gemeinsames Arbeiten für die Soziale Dreigliederung.

Lia war seit 1958 beim „jedermensch“ dabei und fing gleich an mitzuarbeiten. Die politische Außenrolle lag ihr nicht so sehr, mehr das Helfen im Hintergrund. Sie tippte und redigierte Peters handschriftlichen Texte, stand an der Abzugsmaschine, mit der die ersten „jedermensch“ vervielfältigt wurden. Sie machte die Buchhaltung des „jedermensch“-Verlages und das machte sie bis ins Jahr 2005! Dann begann sie sich zurückzuziehen und ihre Angelegenheiten zu regeln. Sie unterstützte und besuchte lange Jahre das Modell Wasserburg, bis sie es sich nicht mehr zutraute, den weiten Weg mit ihrem Auto selber zu fahren. Gefahren werden wollte sie nicht. Sie lehnte mein Angebot, sie abzuholen stets ab. Nicht schroff, aber sehr diplomatisch.

Wenn ich sie besuchte war sie sehr darauf bedacht, alles fein und gastfreundschaftlich zu gestalten. Als sie das wegen ihrer Erblindung nicht mehr schaffte, wollte sie auch meinen Besuch nicht mehr. Zumeist haben wir das aktuelle politische Geschehen diskutiert, etwas, was ihr auch mit Peter Schilinski sehr gefiel.

Claudia Schilinski erzählte mir, das der jedermensch Winter 2007, der letzte den sie bekommen sollte, Lia sehr bewegte. Sie strahlte in der Erinnerung an die Zeiten Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre.

Lia Maier-Härting starb am 22. Dezember 2007.

Dieter Koschek

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