jedermensch
 

Jedermensch

Zeitschrift für soziale Dreigliederung,
neue Lebensformen und Umweltfragen

Herbst 2006 - Nr. 640
Schatten des Nationalsozialismus

Inhalt

Libanon-Krieg und das deutsche Problem
Die jüdische Geschichte ist aufs engste mit der deutschen Geschichte verbunden. Von Dieter Koschek

"Der Kapitalismus ist Schuld am Hunger"
Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Das ist kein Schicksal, sondern Produkt des globalen, vom Westen beherrschten Wirtschaftssystems, meint der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler im taz-Interview

Sieben Minuten bis zum GAU
Europa ist nur knapp an einer möglichen Kernschmelze vorbeischrammt. vondieter Koschek

In Erinnerung behalten
Vor der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts war nicht nur Deutschland von der Macht einer Diktatur mit ihrem totalitären Anspruch geprägt. Was mit dem namengebenden italienischen Faschismus (im Zeichen der gebündelten Rute) begann und im gewaltigen Ausmaß die stalinistische Sowjetunion ergriff, zog noch durch eine Reihe weiterer Länder hindurch. Im östlichen Europa, wozu auch die "Deutsche Demokratische Republik" gehörte, währte der diktatorische Zustand noch bis 1989. von Jürgen Kaminski

Adolf Hitler und der Weg in den zweiten Weltkrieg
Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 in Braunau geboren. Moritz Gallion, im Jahr 2000 mit 14 Jahren als Referat gehalten

Das Grauen verarbeiten
Mietje Bontjes van Beek wurde 1922 in eine Künstlerfamilie hineingeboren. von Jürgen Kaminski

Unfassbare Kehrseite des Mao-Kultes
von Jürgen Kaminski

Nachrichten aus dem Eulenspiegel
zusammengestellt von Dieter Koschek

Unmögliches Mitwirken
Manche  Vereinigungen werben neuerdings vermehrt darum, daß Interessenten sich am sozialen und politischen Geschehen beteiligen können, wenn sie sich ihnen anschließen würden. Von Andreas Pahl

Hartnäckige Geschichtsübel,
Mitverantwortlich amUnheil

die beiden Artikel von Anton Kimpfler, sowie
Das Grauen erlebt von Barbara Wagner
und weiter Kurznachrichten und Beiträge finden sie nur in der gedruckten Ausgabe

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Libanon-Krieg und das deutsche Problem

Die jüdische Geschichte ist aufs engste mit der deutschen Geschichte verbunden. Gerade in diesem „jedermensch" zeigen viele Beiträge auf, was der deutsche Nationalsozialismus jüdischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen angetan hat. Zumeist fehlen einfach die Worte für die Greueltaten und das Ausmaß des Massenmordes.

Wenn nun die UN auf dem Gebiet Palästina, einem englischen Protektorat der Kolonialzeit, „den Juden" einen eigenen Staat zubilligt, dann hat das gute Gründe gehabt. Doch mit einem schrecklichen Schönheitsfehler: Das Land war mehrheitlich bewohnt von Palästinensern. Und der Teilungsplan wurde von den arabischen Staaten nicht anerkannt. So entstand der heutige Staat Israel in einem Krieg. Dadurch wurden rund eine Million Araber vertrieben und diese leben heute zum großen Teil in immer noch provisorischen Flüchtlingslagern jenseits der Grenzen: im Gaza-Streifen, im Westjordanland und im Südlibanon.

Durch diese einseitige Staatsgründung schuf sich der neue Staat Israel genügend Feinde für den Rest seiner Existenz und eine Unversöhnlichkeit zwischen Arabern und dem Staat Israel war gegeben. Der Widerstand, aber auch viele Araber in anderen Ländern, wollen hier die Geschichte rückgängig machen und „die Israelis ins Meer treiben".

Weil dieses Ziel aktuell blieb, hat Israel immer wieder mit militärischer Stärke die Grenzen zu seinen Gunsten gesichert, beziehungsweise verschoben. Der Krieg von 1967 verschob die Grenzen nachhaltig. Das Westjordanland wurde einverleibt und völkerrechtswidrig besiedelt. Israel wollte sich damals nur unter Verhandlungen aus den Gebieten zurückziehen. Die arabischen Staaten forderten jedoch einen Rückzug bevor es zu Verhandlungen kommen sollte.

Israel besiedelte das Land einseitig. Heute leben dort etwa 250 000 Menschen, die „jüdisch" sein müssen. Heute wird dort eine Mauer gebaut, die die deutsch-deutsche in den Schatten stellt. 5 Meter hohe Betonbauteile mit Schutzstreifen, sollen Israel von dem Land „der Terroristen" trennen, damit „Selbstmordattentäter" es schwerer haben in israelisch bewohnte Gebiete vorzudringen.

In Israel ist Sicherheit und damit militärischer Schutz ein fester Bestandteil des täglichen Lebens.

Wenn ich nun diese sicherlich verkürzte Darstellung der israelischen Geschichte anschaue, dann ist es für mich nicht verwunderlich, dass sich die Welt damit einen Dauerkonflikt eingehandelt hat. Sicherlich aus gutem Glauben, „den Juden" einen eigenen Staat zu geben, doch geschah dies im Unrecht der Kolonialmächte und auf dem Rücken der Palästinensern.

Was mich dabei besonders stört ist immer die Gleichsetzung „der Juden" mit dem israelischen Staat. Ich verstehe die Juden immer noch als eine Religionsgemeinschaft, die über die ganze Welt verstreut ist. Ich verstehe sie nicht als ein Volk und schon gar nicht als eine Nation mit einem eigenen Staat. Dieser Umstand ist jedoch sicherlich der deutschen Geschichte geschuldet. Der „Staat" Israel, wenn man so will, verschwand auf grund der römischen Herrschaft vor fast 2000 Jahren. Heute ist Israel kein „jüdischer" Staat, sondern eine Demokratie mit Religionsfreiheit.

Die Wurzel des heutigen Leidens ist und bleibt die Vertreibung der Palästinenser aus ihren Gebieten durch selbstherrliche westliche Großmächte. „Den" Juden nach dem zweiten Weltkrieg einen besonderen Schutz angedeihen zu lassen, hätte nicht auf der Diskriminierung anderer Menschen geschehen dürfen.

Nun sind fast 60 Jahre Geschichte ins Land gezogen. Das ist zum einen viel und zum anderen zeigt die Geschichte, dass auch hier immer wieder Veränderungen sich vollziehen. Doch müssen diese Veränderungen immer von den betroffenen Menschen ausgehen und nicht von Supermächten, die hier immer noch einen Stellvertreterkrieg betreiben.

Da sich eine Rücksiedlung Israels nicht mehr vollziehen lässt, muss es zu einer Lösung kommen, die beide Seiten einbindet. Und damit gehört es zur israelische Seite, die Situation anzuerkennen und sich zumindest auf die Grenzen von 1967 zurückzuziehen. Die internationale Staatengemeinschaft kann dabei helfen diese Grenze zu sichern. Das muss nicht militärisch passieren, sonder kann durchaus mit humanitärer und kultureller Hilfe passieren. Das Problem ist groß. Immerhin leben Millionen von Palästinensern unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Im aktuellen Libanonkrieg, der aufgrund der Entführung zweier israelischer Soldaten losgetreten wurde, muss sich Israel dem Vorwurf von Kriegsverbrechen stellen. Im Kampf einer Großmacht gegen eine Guerilla darf es nicht dazu kommen, dass der Staat, von dem aus die Guerilla agiert in Schutt und Asche gelegt wird. Dieser Krieg brachte vor allem zivile Opfer. Die Stadt Beirut wurde bombardiert und teilweise zerstört. Straßen, Brücken und Schulen zerstört mit der Argumentation, Waffenlieferungen aus Syrien zu verhindern. Der Abwurf von massenhaft Streubomben nach dem Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen, dient ebenfalls nicht dem Vertrauen in den Beginn einer friedlichen Lösung.

Für mich ist es nun mal so, dass Israel ebenfalls die Tatsache anerkennen muss, dass der Landgewinn aus dem Krieg von 1967 unrechtmäßig ist und die dortigen Siedlungen aufzugeben sind. Erst dann sind politische Lösungen möglich.

Nach wie vor gibt es keine Gründe für eine militärische Präsenz ausländischer Truppen in irgendwelchen Ländern.

Dieter Koschek

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"Der Kapitalismus ist Schuld am Hunger"

Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. Das ist kein Schicksal, sondern Produkt des globalen, vom Westen beherrschten Wirtschaftssystems, meint der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler.

taz: Herr Ziegler, Sie sind nach Jahrzehnten als Universitätsprofessor und Parlamentsabgeordneter nun UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Ist das auch eine Rückkehr zu Ihren Wurzeln?

Jean Ziegler: Mein Schlüsselerlebnis war im Kongo, da war ich ein ganz junger Mann. Ich arbeitete damals, Mitte der Sechzigerjahre, für die UNO. Das war ja das erste Mal, dass die Weltorganisation ein Land übernommen hat. Wir saßen in unserem Luxushotel in Kinshasa, das war bewacht von den Gurkhas, den nepalesischen Blauhelmen. Täglich kamen Kolonnen halb verhungerter Kinder aus der Stadt. Die Köche warfen ihnen Speisereste über den Stacheldraht. Die Kinder kletterten in den Draht, rissen sich die Finger auf. Die Gurkhas schlugen ihnen auf den Kopf, damit sie nicht rüber kommen. Damals habe ich mir geschworen, nie wieder auf der Seite der Henker zu stehen - auch nicht zufällig.

taz: Seit einigen Jahren kämpfen Sie nun gegen den Hunger in der Welt.

Jean Ziegler: Ich stehe jetzt dem gegenüber, was eigentlich die Essenz unserer Wirtschaftsweise ist. 100.000 Menschen sterben täglich an Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. 856 Millionen Menschen sind schwer unterernährt - einer von sechs Menschen auf diesem Planeten. Und das auf einem Erdball, der vor Reichtum überquillt. Schon heute könnten ohne Probleme 12 Milliarden Menschen ernährt werden,also das doppelte der Weltbevölkerung. Das heißt: Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet.

taz: Aber kann man das dem globalen Kapitalismus anlasten? Gehungert wird doch dort, wo er kaum Wurzeln geschlagen hat.

Jean Ziegler: Der Hunger hat schon mit einer mörderischen Monopolisierung der Reichtümer zu tun. Die 500 größten multinationalen Konzerne kontrollieren 52 Prozent des Weltsozialprodukts. Sie haben heute eine Macht, die kein Papst, kein König je hatte.

taz: Ist der Hunger ein Nebenprodukt oder ist er Folge einer inneren Logik des Systems?

Jean Ziegler: Die Kausalkette ist kompliziert. Es gibt den konjunkturellen Hunger - der klassische Mangel, die Katastrophen, Klima, Heuschreckenplagen, Kriege, all das, was schwache Ökonomien kollabieren lässt. Zehn Prozent der Hungernden auf der Welt sind Opfer solcher Krisen. Viel bedeutender ist der strukturelle Hunger. Die Ursachen dafür: Kein Zugang zum Land, fürchterliche Pachtverträge, Kleinstbetriebe, die der Konkurrenz nicht bestehen und die die Menschen nicht ernähren können. Permanent fehlendes Einkommen, informelle Ökonomie. Und diese Struktur wird bestimmt von der Weltordnung und der multinationalen Ökonomie. 90 Prozent der Hungertoten gehen auf das Konto des strukturellen Hungers.

taz: Könnte man nicht sagen: Wo der Kapitalismus Wurzeln schlägt, rottet er auch den eklatanten Mangel aus?

Jean Ziegler: Die neoliberale Irrlehre glaubt, wenn nur Bedingungen wie Liberalisierung, freier Kapitalverkehr, ein schlanker Staat verwirklicht würden, gäbe es einen wahren Goldregen - das ist so Irrational wie das Paradies im Christentum. Die Fakten sehen anders aus: Goldberge türmen sich auf und daneben Leichenberge. Infolge des Prinzips der Profitmaximierung bekämpfen sich die Multis untereinander, und sie führen Krieg gegen die Menschen. So erwirtschaftet das boomende Indien heute Reichtümer in der Hochtechnologie, gleichzeitig sind 400 Millionen Menschen unterernährt. Die Hälfte der unterernährten Menschen der Welt lebt in Indien.

taz: Ginge es diesen Ländern besser, wenn sie nicht Teil des globalen Weltkapitalismus wären?

Jean Ziegler: In Brasilien sind 44 Millionen Menschen schwer unterernährt. Lula, der Präsident, will den Hunger bekämpfen, hat aber eine exorbitante Auslandsschuld geerbt. Hinzu kommt: Die Multis transferieren Devisen zu ihren Muttergesellschaften. Für Lizenzen, für Saatgut werden unerhörte Summen bezahlt. Das fruchtbare Land ist monopolisiert. All das bedeutet: Es gibt keinen Spielraum für Reformen. Am Ende steht der Hunger.

taz: Wie könnte man das ändern? Was etwa kann die EU tun?

Jean Ziegler: Die EU müsste ihre Export- und Produktionssubventionen in der Landwirtschaft abschaffen. Alle Industrieländer zusammen haben 2004 für Produktions- und Exportsubventionen landwirtschaftlicher Güter 349 Milliarden US-Dollar ausgegeben - fast 1 Milliarde Dollar am Tag! Die Zerstörung der lokalen Märkte in Entwicklungsländern durch Billigexporte aus der EU ist ein schon lange bekannter Skandal. Die senegalesischen Bauern rackern sich 16 Stunden unter brennender Sonne ab. Aber auf dem Markt in Dakar haben sie keine Chance, weil europäisches Gemüse zu einem Drittel des einheimischen Preises kauft wird. Was wir brauchen, sind gerechte Regeln. Interview: Robert Minsk taz m 3.6.2006

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Sieben Minuten bis zum GAU

Europa ist nur knapp an einer möglichen Kernschmelze vorbeischrammt. Die Hiobsbotschaft kam aus Schweden: In Forsmark hatte die Betreibermannschaft nach einem Kurzschluss 22 Minuten lang keine Zugriffsmöglichkeit auf die Anlage, ein Reaktor machte sich selbständig und heizte sich dabei auf.
Ein schwedischer AKW-Experte des Energieriesen Vattenfall hat bereits das Versagen des Meilers als "den schwersten Zwischenfall seit Tschernobyl und Harrisburg" bezeichnet . Und: "Es war ein reiner Zufall, dass es zu keiner Kernschmelze kam. ... Sieben Minuten später wäre die Zerstörung des Reaktors nicht mehr aufzuhalten gewesen"
Was war passiert? Am 26. Juli kam es bei Wartungsarbeiten in einem Umspannwerk außerhalb des AKWs Forsmark, das in der Nähe von Uppsala liegt, zu einem Kurzschluss. Daraufhin wurde eine automatische Reaktorschnellabschaltung ausgelöst, zwei von vier Diesel-Notstromaggregaten wollten jedoch zunächst nicht anspringen. Über 20 Minuten war der Reaktor nicht steuerbar, das Timeout, bei dem man die Kontrolle über die im Reaktor ablaufenden Prozesse vollständig verliert, liegt in diesem Falle bei 30 Minuten.

Gleich mehrere Sicherheitssysteme hatten in diesem Fall versagt, es war anscheinend pures Glück, dass man die Notstromversorgung am Ende doch noch in Gang kriegte, um den Reaktorkern noch rechtzeitig zu kühlen.
"Es ist eine Nachricht, die ganz tief durchatmen lässt: ..." kommentierte die "Financial Times Deutschland" die albtraumhaften Ereignisse. Das wird aber wohl kaum reichen. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hatte schon 1992 in einer Studie eindringlich vor möglichen Überspannungen gewarnt. Abhilfe ist seitdem nicht geschehen.
Im deutschen AKW Brunsbüttel verspielte dann der Betreiber Vattenfall seine Glaubwürdigkeit, indem er behauptete, Brunsbüttel hätte ein anderes System, dann jedoch berichtigen musste. Doch die Deutsche Regierung hat dazu nichts zu sagen. Vielmehr meinte der Umweltminister Gabriel, dass auch der ehemalige Grüne Umweltminister Trittin schon mehrfach den Weiterbetrieb von AKW nach Störfällen genehmigt hätte.

Ach so...ja dann...
Wir haben nur eine Zukunft - und wir wollen sie ohne Atomstrom.

Dieter Koschek

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In Erinnerung behalten

Vor der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts war nicht nur Deutschland von der Macht einer Diktatur mit ihrem totalitären Anspruch geprägt. Was mit dem namengebenden italienischen Faschismus (im Zeichen der gebündelten Rute) begann und im gewaltigen Ausmaß die stalinistische Sowjetunion ergriff, zog noch durch eine Reihe weiterer Länder hindurch. Im östlichen Europa, wozu auch die "Deutsche Demokratische Republik" gehörte, währte der diktatorische Zustand noch bis 1989.

In Deutschland herrschte ab 1933 eine besondere Konzentration des Bösen mit unvorstellbaren Greueltaten und der Auslösung vom Zweiten Weltkrieg mit etwa 60 Millionen Toten. Der weitaus größte Teil der damaligen deutschen Bevölkerung beugte sich vor einer geradezu irrsinnigen und abgründigen Ideologie und es waren nicht wenige, die aktiv daran teilnahmen. Danach seien die östlich gelegenen Völker zu versklaven oder zu vertreiben und ihre führenden Kreise zu töten.

Das war auch dem jüdischen Teile in den Bevölkerungen zugedacht, den man mit einer bestialischen Wut verfolgte und Schritt für Schritt jegliche Lebensrechte aberkannte. Bis es schließlich in letzter Konsequenz zu einem millionenfachen Massenmorden kam vor allem in den Vernichtungslagern im Osten.

Insofern kann das nationalsozialistische Deutschland zu Recht als ein Symbol für die vielfachen Schrecken im 20. Jahrhundert gelten. Auch wenn danach in verschiedenen Erdteilen ein ähnlich gearteter Vernichtungswille aufkam und in Ruanda, Kambodscha, Kongo oder dem China von Mao-tse-tung ganze Völkerschaften ergriff.

Der Verein "Gegen Vergessen - Für Demokratie" ist eine bundesweite Organisation mit einer Anzahl von örtlichen Gruppierungen. Er setzt sich für eine Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands ein wie auch ebenso eine solche der kommunistischen Herrschaftsperiode in Ostdeutschland. Des weiteren werden Aktionen für ein friedlicheres weiteres Zusammenleben unterstützt.

In einer periodisch erscheinenden Zeitschrift sind Berichte und Buchbesprechungen zum Thema veröffentlicht. In der Ausgabe 46/Oktober 2005 sind Briefe aus Auschwitz veröffentlicht, es gibt Erinnerungen an jüdische Schriftsteller in Westfalen, es wird aber auch eines sowjetischen "Speziallagers" gedacht, zu dem 1945 das gerade erst befreite Konzentrationslager Sachsenhausen umfunktioniert wurde. In den folgenden fünf Jahren starben hier noch einmal mindestens 12000 Menschen.

Des weiteren wird der Überfall auf Polen im Herbst 1939 behandelt, sowie auch die mörderische nationalsozialistische Militärjustiz mit ihren 19000 gefällten Todesurteilen. Soweit bekannt, ist von diesen Richtern hernach kein einziger juristisch belangt worden.

Dann wird von einer "Antidiskriminierungsarbeit" mit heutigen Schülern berichtet, wobei diese zu einer toleranteren Haltung gegenüber Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen oder sonstigen Einstellung angeregt werden sollen. Dazu gehört aber auch ein festes Widerstehen gegenüber einem aufkommenden Rechtsradikalismus.

Es wird also eine Aussöhnungsarbeit gefördert, welche bei der inneren Haltung des Einzelnen ansetzt, um so zu einer wirklichen Verständigung auch mit Menschen anderer Völker zu gelangen. Da sind auch heute noch viele Belastungen zu überwinden, etwa zu Polen, das mit am meisten unter den Schrecken des Nationalsozialismus zu leiden hatte und daraufhin unter Sowjetherrschaft geriet.

Da kann es nur gut sein, dass bei "Gegen Vergessen - Für Demokratie" auch eine Reihe bekannter Politikerpersönlichkeiten vertreten ist. Darunter etwa Joachim Gauck, der schon längere Zeit mit der Aufarbeitung des DDR-Systems (Deutsche Demokratische Republik) befasst war sowie Hans Koschnick, der sich bereits für ein friedliches Zusammenleben auf dem Balkan eingesetzt hatte.

Jürgen Kaminski

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Adolf Hitler und der Weg in den zweiten Weltkrieg

Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 in Braunau geboren. Braunau ist eine Kleinstadt am Inn. Sie liegt an der österreichisch-bayrischen Grenze. Adolf Hitlers Vater, Alois Hitler, war Zollbeamter. Alois Hitler war ein uneheliches Kind. Die Mutter, Klara Plötzl, war 23 Jahre jünger als ihr Mann. Sie war ihrem Ehemann so ergeben, dass sie ihn mit Onkel anredete. Sie war seine dritte Ehefrau. Alois Hitlers erste Ehe war kinderlos geblieben, aber aus der zweiten Ehe hatte er zwei Kinder: Alois Junior und Angela. Klara Hitler gebar 1885 bis 1887 drei Kinder. Sie starben nach der Geburt beziehungsweise im zweiten Lebensjahr. Deshalb hing sie besonders an ihrem vierten Kind Adolf. Ihn bemutterte sie und ließ ihn nie aus den Augen. 1894 bekam Adolf einen Bruder, Edmund und 1896 eine Schwester, Paula. Als Adolf Hitler neun Jahre alt war, wurde der Vater versetzt nach Passau. 1895 zog die Familie nach Österreich zurück, weil der Vater nach Linz versetzt worden war. Die Familie lebte jetzt in Lambach auf einem Bauernhof. Adolf Hitler ging kurz nach dem Umzug mit seiner Halbschwester in die Volksschule in Fischhalm. Der Lehrer bezeichnete Adolf Hitler als sehr aufmerksam und gehorsam. Im selben Jahr wurde sein Vater, nach 40 Jahren Dienst, pensioniert. Der Vater konnte mit seinem Ruhestand nichts anfangen, Er begann zu trinken. Er forderte den totalen Gehorsam und hatte deshalb oft Streit mit Alois Junior. Der Vater schlug Alois Junior mit der Nilpferdpeitsche bis zur Bewusstlosigkeit. Auch Adolf Hitler bekam gelegentlich Prügel. Er wurde aber von seiner Mutter weiterhin bevorzugt. Die Wutanfälle des Vaters waren so schlimm, dass Alois Junior seine Sachen packte und mit 14 Jahren verschwand. Jetzt war Adolf das Opfer der Wutanfälle seines Vaters. 1896 hatte Alois Hitler genug vom Dorfleben. Er verkaufte den Bauernhof und zog nach Lambach. Eine Stadt mit einem schönen alten Benediktinerkloster. Die Schule war jetzt anspruchsvoller als in Fischhalm. Adolf Hitler hatte aber keine Probleme und hatte im letzten Zeugnis 1897-98 zwölf Einsen. Er sang im Schulchor im Kloster und war von den kirchlichen Feiern so beeindruckt, dass er Priester werden wollte. Er hielt zu Hause lange glühende Predigten. Seine fromme Mutter, wie auch sein Vater, der nichts von Religion hielt waren von diesen Predigten begeistert. Die Familie Hitler lebte in einem großen Haus, das zu einer Mühle gehörte. Doch auch hier gefiel es dem Vater nicht. Es folgte ein Umzug nach Leonding, am Rande von Linz. Adolf Hitler hatte auch hier keine Probleme in der Schule. In den Pausen und nach der Schule war er der Anführer bei Cowboy- und Indianerspielen.

In Leonding entdeckte Adolf Hitler sein Zeichentalent. Er wollte Künstler werden. Sei- Vater wollte jedoch, dass er Beamter wird. Alois Junior war spurlos verschwunden und Edmund starb 1900. Adolf Hitler ließ sich überzeugen und ging auf die Realschule nach Linz. Hier kam er im Unterricht nicht mehr mit. Seine Mitschüler schauten auf ihn herab, da er vom Dorf kam. Die Lehrer kümmerten sich nicht um einzelne Schüler. Adolf Hitler verlor seinen Mut und das Interesse an der Schule. 1901 blieb er wegen einer Fünf in Mathematik und Naturwissenschaft sitzen. Im folgenden Jahr verbesserten sich seine Leistungen und er fand auch Freunde, mit denen er nachmittags auf den Donauwiesen Cowboy und Indianer spielte. Er wurde am Ende dieses Schuljahres versetzt. Danach hatte er wieder Probleme. In Mathematik hatte er besonders große Schwierigkeiten. Die Situation änderte sich plötzlich nach dem Schlaganfall und Tod seines Vaters am 3. Januar 1903. In der Familie war wieder alles in Ordnung. Es gab niemanden mehr, der ihn wegen schlechter Noten schlug. Die Familie konnte ein normales Leben führen, da die Mutter eine Witwenpension und eine Rente für ihre drei Kinder bekam. Adolf Hitler wurde in eine Pension nach Linz gegeben, zu einer Frau, die noch fünf weitere Jungen beherbergte. Adolf Hitler vermied jeden näheren Kontakt mit seinen Mitbewohnern sowie der Wirtin. Er zog sich in sein Zimmer zurück um zu lesen und zu zeichnen. Um die zweite Realschulklasse zu bestehen musste er die Ergänzungsprüfung in Mathematik ablegen. Seine Lehrerinnen und Lehrer bezeichneten ihn als begabten aber einseitigen Schüler. Er hatte sich wenig in der Gewalt. Stark beeindruckte ihn sein Geschichtslehrer. Insbesondere war er begeistert von den Erzählungen über die alten Germanen. Wie viele seiner Mitschüler war er ein Gegner des Staates. Österreich war damals ein Teil der Donaumonarchie. Sie wurde vom Herrscherhaus der Habsburger zusammengehalten. Der Sitz war in Wien. Adolf Hitler wollte Deutschland und Österreich vereinigen. Er sang, anstatt der österreichischen Hymne „Gott erhalte Franz den Kaiser": Deutschland, Deutschland über alles. Am Ende des dritten Realschuljahres scheiterte Hitler an Französisch. Er bestand aber die Ergänzungsprüfung und musste auf eine andere Realschule wechseln. Deshalb besuchte er die letzte Klasse in Steyr. Steyr ist 40 km von Linz entfernt. Er lebte wieder in einem möblierten Zimmer und war einsam und unglücklich. Er hasste die Schule und verbrachte seine Zeit mit Lesen und Zeichnen. Im Herbst musste er wieder einmal die Ergänzungsprüfung ablegen. Er bestand sie und erhielt das Realschulabschlusszeugnis. Er überzeugte seine Mutter, dass er wegen einer Lungenschwäche das Abitur nicht machen könne.

Klara Hitler war mit Adolf und Paula nach Linz gezogen. Angela hatte geheiratet. Adolf Hitler lebte von 1905 bis 1907 ein unbekümmertes Leben. Er las und zeichnete viel, besuchte die Oper und Museen. Er war aber fast immer allein; ein Einzelgänger, der in einer Traumwelt lebte. Sein Ziel war ein großer Künstler zu werden. Im Herbst 1905 traf er August Kubizek, mit dem er sich anfreundete. Kubizek wollte ein bedeutender Musiker werden. Gemeinsam besuchten sie fast jede Oper und machten endlose Spaziergänge durch Linz. Hitler redete fast pausenlos während Kubizek zuhörte. Kubizek kannte Adolf Hitler wahrscheinlich am besten. 1907 wurde bei Klara Hitler ein Tumor festgestellt. Sie wurde am 18. Januar 1907 operiert und erholte sich nur sehr langsam.

Adolf Hitler war 1906 in Wien gewesen und hatte vier Wochen Oper, Theater und Museen besucht. Für ihn war klar, wenn er seine Pläne verwirklichen wollte, musste er nach Wien. Er überredete seine Mutter, dass er die Akademie der freien Künste besuchen durfte. Ende September 1907 reiste er nach Wien. Anfang Oktober war die Aufnahmeprüfung. Das Ergebnis war für ihn unfassbar. Er wurde abgelehnt, da seine Fähigkeiten mehr im Bereich der Architektur lagen. Für diese Aufnahme hätte er jedoch ein Diplom der Bauschule gebraucht. Vorraussetzung hierfür war das Abschlusszeugnis der Oberrealschule. Adolf Hitler schienen die Hindernisse unüberwindbar. Er fuhr aber nicht nach Hause, sondern blieb in seinem Zimmer und las, besuchte die Oper oder wanderte ziellos durch die Straßen. Ende Oktober fuhr er nach Hause, weil seine Mutter im Sterben lag. Am 21. Dezember 1907 verstarb Klara Hitler. Für Adolf Hitler war dies sehr schwer. An Weihnachten gingen Adolf und seine Schwester Paula zu dem Hausarzt der Mutter, Dr. Bloch. Sie bezahlten die Rechnung und bedankten sich für seine Mühe. Adolf Hitler schickte später Dr. Bloch immer wieder selbstgemalte Postkarten und Bilder. Er stellte die Familie Bloch unter seinen persönlichen Schutz als sich Österreich 1938 mit Deutschland vereinigte. Familie Bloch konnte wann immer sie wollte aus Österreich ausreisen. Hitlers Judenhass kann deshalb nicht daher stammen.

Nach dem Tod seiner Mutter hielt Adolf Hitler nichts mehr in Linz. Er überließ seiner Halbschwester Angela den Rest seines Erbes, da sie seine elfjährige Schwester Paula versorgte. Er lebte von einer Waisenrente von 300 Kronen im Jahr. Bei bescheidener Lebensweise konnte er davon leben.

Im Februar 1908 ging Adolf Hitler mit August Kubizek wieder nach Wien. Kubizek wollte in Wien Musik studieren. Sie gingen in fast jede Operaufführung von Richard Wagner. Kubizek bestand die Aufnahmeprüfung der Musikschule und später die Abschlussprüfung mit großem Erfolg.

Im September 1908 bewarb sich Hitler erneut zur Zulassung an der Kunstakademie. Seine Zeichnung wurde so schlecht bewertet, dass er nicht zugelassen wurde zur Aufnahmeprüfung.

Nach diesem Misserfolg verließ er, ohne Abschied die gemeinsame Wohnung, die er mit August Kubizek gemietet hatte. Er nahm sich ein kleines Zimmer auf der anderen Seite der Stadt. 1909 musste er sein Zimmer verlassen. Er schlief in Hauseinfahrten, billigen Kneipen und Wartesälen. Kurz vor Weihnachten 1909 ging er in ein Obdachlosenheim nach Meidling. Dort traf er auf Reinhold Harnisch, der sich wunderte, wie ein junger Mann mit soviel Talent so abstürzen konnte. Er brachte Adolf Hitler dazu, Postkarten zu zeichnen, die er verkaufte. Sie teilten sich den Gewinn. Im Februar 1910 zog Adolf Hitler mit Reinhold Harnisch in ein Männerheim, in dem sehr viele Juden lebten. Mit seiner Waisenrente und dem Geld, das er mit seinen Bildern und Postkarten verdiente konnte Adolf Hitler jetzt einigermaßen leben. Er verwandelte den Leseraum in dem er seine Postkarten malte bald in einen politischen Diskutiersaal. Er bezeichnete diese Zeit als Aufbau seines politischen Wissens. Adolf Hitler las auch regelmäßig das Magazin „Ostara", das ein ehemaliger Mönch, Adolf Lanz, verfasste. Lanz hisste auf seiner Ordensburg eine Fahne mit einem Hakenkreuz, das das Symbol einer arischen Kampfbewegung war. Adolf Lanz verstand unter Ariern hochgewachsene blonde und blauäugige Menschen. Er sah Juden und slawische Völker als die minderwertige Rasse an. Hitler erkannte hier einen neuen Sinn in seinem Leben. Er wurde Rassenfanatiker und konnte damit seine Misserfolge ausgleichen. Er war Arier und damit den minderwertigen Juden überlegen, auch wenn sie mehr Geld und Einfluss besaßen.

Im Mai 1913 verließ Adolf Hitler von einem Tag auf den andern das Männerheim und ging nach München, wahrscheinlich um sich dem österreichischen Militärdienst zu entziehen. Am 18. Januar 1914 bekam er in München von der bayerischen Polizei die Aufforderung, sich bis zum 20. Januar in Linz mustern zu lassen. Andernfalls würde er strafrechtlich verfolgt und mit einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Adolf Hitler bat schriftlich um eine Musterung in Salzburg oder Wien. Die Musterung fand am 5. Februar 1914 in Salzburg statt. Dort wurde er als untauglich für Waffen- und Hilfsdienst befunden. Adolf Hitler verdiente weiterhin seinen Lebensunterhalt in Wien. Er malte Stadtansichten und verkaufte sie. Unterkunft hatte er bei einem Schneidermeister namens Popp. Seine Frau hielt ihn für einen österreichischen Charmeur, einen netten hilfsbereiten Mann, der aber etwas geheimnisvoll wie ein Einsiedler lebte und den ganzen Tag in seinem Zimmer saß und las.

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Ferdinand in Sarajevo von serbischen Nationalisten ermordet. Die Folge war eine Verschärfung der internationalen Spannungen, wobei Deutschland die Habsburger Monarchie unterstützte. Am 1. August unterzeichnete der deutsche Kaiser den Mobilmachungsbefehl gegen Russland. Am 3. August erklärte das Deutsche Reich Frankreich den Krieg. An diesem Tag schrieb Adolf Hitler einen Brief an die Regierung in Bayern, in dem er darum bat, in die Bayrische Armee eintreten zu dürfen. Am 4. August erhielt er die Zusage. Er wurde als Freiwilliger in das Erste Bayrische Infanterieregiment aufgenommen. Er absolvierte seine Grundausbildung in Marschieren, Schießen und Bajonetkampf. Er wurde am 20. Oktober mit seiner Einheit nach Belgien in Marsch gesetzt. Eine Woche später wurde seine Kompanie in die Schlacht um Ypern geschickt, die am Ende in einem Grabenkrieg endete. Adolf Hitler wurde für seine Tapferkeit vor dem Feind mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet und wurde zum Gefreiten befördert. Er war Meldegänger und musste Meldungen von der Regimentsführung zu Befehlsständen bringen. Er ging oft für andere Meldegänger freiwillig und entging dem Tod mehrere Male sehr knapp. Das war für ihn ein Zeichen, dass er für größere Taten auserwählt sei. Er sagte auch immer seine Heimat sei das 16. Regiment und er habe kein anderes zu Hause. Trotz seines Übereifers wurde Adolf Hitler von seinen Kameraden geschätzt. Er galt als intellektuell weil er Schopenhauer las und lange Reden über Kunst, Literatur und Politik halten konnte. Er hielt oft lange Predigten gegen das Rauchen und Trinken. Trotzdem entzog er sich nicht allen Genüssen. Er wurde von seinen Kameraden Vielfrass genannt, weil er so viel aß. Nach den Nachforschungen des Hitler Historikers Werner Maser soll ein französisches Bauernmädchen einen Sohn von Adolf Hitler geboren haben. Adolf Hitler blieb jedoch den ganzen Krieg über Gefreiter, da er nicht geeignet war, Einheiten zu führen. Er hielt seinen Kopf schief, schlurfte und putzte seine Stiefel nur selten und schlug die Hacken nie zusammen, wenn ein Offizier auftauchte. Es gab auch keine Feldwebelstelle für Meldegänger. Wenn er befördert worden wäre, hätte er seine geliebte Arbeit als Meldegänger verloren. Am 7. Oktober 1916 wurde Adolf Hitler von einem Granatsplitter getroffen und am Oberschenkel verwundet. Er kam in ein Lazarett bei Berlin und wurde in ein Ersatzbatalion nach München versetzt. Dort stellte er fest, dass der Durchhaltegeist der Bevölkerung gelitten hatte, da überall jüdische Hetzer am Werk gewesen waren. Er freute sich, als er im Januar 1917 wieder zu seinem Schützengraben zurückkehren konnte.

Deutschland verlor den Krieg. Das Militär schob die Schuld den Sozialisten in die Schuhe. Die Dolchstoßlegende sollte die militärische Niederlage verschleiern. Auch Adolf Hitler glaubte an sie. Revolutionäre Unruhen führten zum Abdanken von Kaiser Wilhelm II.; am 9. November 1918 wurde die Deutsche Republik proklamiert.

Adolf Hitler war in dieser Zeit aufgrund eines Gasangriffes erblindet und im Lazarett. Als er von der Unterzeichnung des Waffenstillstandes erfuhr brach für ihn eine Welt zusammen. Er beschloss Politiker zu werden.

Ende November 1918 wurde er aus dem Lazarett entlassen. Er ging als Aufklärungssoldat nach München und gehörte dem Berufsheer an. Als Aufklärungssoldat war es seine Aufgabe, gefährliche politische Aktionen in der Truppe zu ermitteln und verdächtige Arbeiterorganisationen zu beobachten. München war zu dieser Zeit stark geprägt von rechtsextremistischen und antisemitischen Organisationen. Adolf Hitlers Redetalent wurde entdeckt und ihm wurde eine Spezialaufgabe übertragen. Er sprach vor ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen über den „Versailler Schmachfrieden" und dem Übel einer „jüdisch-marxistischen Weltverschwörung". Gleichzeitig schrieb er ein antisemitisches Programm zur planmäßigen gesetzlichen Bekämpfung der Vorrechte der Juden. Schon das Ziel, die Entfernung der Juden wurde von ihm in dieser Schrift angesprochen.

Am 16. September 1919 trat Adolf Hitler der Deutschen Arbeiterpartei (DAP) bei. Seinen ersten Kontakt mit dieser Partei hatte er als Spion der Armee. Durch Adolf Hitlers Propagandareden für die DAP gegen den Versailler Vertrag und die Juden nahm die Anzahl der Parteimitglieder rasch zu. Am 24. Februar 1920 wurde die Deutsche Arbeiterpartei in „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei" (NSDAP) umbenannt. Das einzige offizielle Parteiprogramm war geprägt durch Antisemitismus, Nationalismus und soziale Forderungen. Die sozialen Forderungen waren für Adolf Hitler jedoch nur ein Mittel um die Massen zu gewinnen. Am 31. März 1920 wurde er aus der Armee entlassen. Er widmete sich nun ganz der NSDAP. Das Hakenkreuz auf schwarz-weiß-rotem Grund wurde zum Symbol der Partei. Das Hakenkreuz war allgemein ein Zeichen von rechtsradikalen Gruppen. Am 17. Dezember 1920 kaufte die NSDAP die bankrotte Zeitung „Völkischer Beobachter" auf. Adolf Hitler lernte Ernst Röhm, Rudolf Heß und Hermann Göring kennen. Sie öffneten ihm den Weg in einflussreiche, gesellschaftliche Kreise. Im Januar 1921 gaben die Alliierten bekannt, dass sie eine Entschädigung von 132 Milliarden Reichsmark erhalten. Adolf Hitler lud zu einer Protestkundgebung im Zirkus Krone ein. Die Versammlung wurde zu einem riesigen Erfolg. Mehr als 6000 Personen nahmen daran teil. Die Partei wurde nun auch von Großunternehmen wie zum Beispiel Daimler unterstützt. Bemerkenswert war, dass rechtsradikale Umtriebe von der Polizei generell geduldet wurden.

Am 3. August 1921 gründete Adolf Hitler eine Privatarmee, die Sturmabteilung (SA). Sie bestand aus ehemaligen Soldaten, die nicht in das Berufsheer von 100 000 Mann aufgenommen worden waren. Die Führung der SA übernahm Ernst Röhm. Bei Jugendlichen war die SA wegen ihrer gewaltbereiten Aktivitäten sehr beliebt.

Im Herbst 1923 erreichte die Inflation in Deutschland ihren Höhepunkt. Adolf Hitler unternahm am 8. November 1923 in München einen Putschversuch. Er misslang. Adolf Hitler wurde verhaftet und die NSDAP verboten. Adolf Hitler nutzte jedoch seine Gerichtsverhandlung zu seinem Vorteil. Er berichtete ausführlich, dass sein Putschversuch im Interesse des Volkes gewesen wäre. Er erhielt die gesetzliche Mindeststrafe für Hochverrat von fünf Jahren. Im Gefängnis diktierte Adolf Hitler Rudolf Heß den ersten Band seines Buches „Mein Kampf". Er hatte einen angenehmen Gefängnisaufenthalt. Ständig konnte er Besuch empfangen. Am Ende seiner Haft waren viele seiner Wärter vom Nationalsozialismus überzeugt. Bereits nach einem Jahr Haft, am 20. Dezember 1924, wurde Adolf Hitler entlassen. Die Partei, die verdeckt arbeitete, hatte mittlerweile großen Zulauf. Gleich nach seiner Entlassung versicherte Adolf Hitler dem bayrischen Ministerpräsidenten seine Loyalität und seine Unterstützung im Kampf gegen den Marxismus. Das Parteiverbot wurde aufgehoben. Am 27. Februar 1925 wurde die NSDAP neu gegründet und Adolf Hitler ließ sich als diktatorischen Führer bestätigen. Er erhielt das Redeverbot für das gesamte Deutsche Reich. Trotzdem stieg die Zahl der Mitglieder von Jahr zu Jahr. 1928 hatte die NSDAP bereits 110 000 Mitglieder. Am 27. April 1925 verzichtet Adolf Hitler auf die österreichische Staatsbürgerschaft und war damit staatenlos.

Am 9. November 1925 gründete Adolf Hitler die SS (Schutzstaffel). Ab 1929 übernahm Heinrich Himmler das Kommando. Adolf Hitler baute einen umfangreichen Parteiapparat auf. Durch die verschiedenen Verbände wie Hitlerjugend oder Bund Deutscher Mädel sollte bereits die Jugend gewonnen werden. Bei den Reichstagswahlen von 1928 erhielt die NSDAP lediglich 2,6 % der Stimmen.

Der politische Durchbruch gelang Adolf Hitler 1929 in Zusammenarbeit mit der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Sie unterstützten das Volksbegehren gegen den Youngplan, allerdings vergeblich.

Im Rahmen der Weltwirtschaftskrise bereitete sich die Arbeitslosigkeit in Deutschland schnell aus. Die bisher demokratische Regierungskoalition verlor ihre Mehrheit im Parlament. Regiert wurde das Land durch Präsidialkabinette, deren Macht sich alleine auf die Notstandverordnungen des Reichspräsidenten stützte. Der Stimmenanteil der NSDAP wuchs. 1928 lag er bei 18,3 % . Zusätzlich erhielt er große finanzielle Unterstützung von der Schwerindustrie. Man hoffte, dass Adolf Hitler sie gegen die Kommunisten und die Forderungen der Gewerkschaften unterstützte. 1932 erhielt Adolf Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Wählerzulauf stieg weiter an. Am 30. Januar 1933 ernannte Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Adolf Hitler missbrauchte die Macht um nach und nach die demokratische Verfassung außer Kraft zu setzen. Mit Hilfe des Ermächtigungsgesetzes wurde das Parlament aufgelöst. Alle Parteien außer der NSDAP wurden verboten. Die Pressefreiheit wurde infolge des Brandes des Reichstagsgebäudes aufgehoben, die Länder gleichgeschaltet, Gewerkschaften aufgelöst. Somit hatte die NSDAP unter Führung von Adolf Hitler die Kontrolle über sämtliche gesellschaftlichen, politischen und kulturelle Institutionen erlangt. Nach dem Hindenburg am 2. August 1934 verstorben war ernannte sich Adolf Hitler selbst zum Reichspräsidenten.

Adolf Hitler vergrößerte die Reichswehr gegen die Auflage des Versailler Vertrages auf 300 000 Mann. England und Frankreich protestierten. Mehr passierte nicht. Die Arbeitslosigkeit bekämpfte Adolf Hitler mit dem Bau von Autobahnen und Militäranlagen. Es wurden keine Maschinen eingesetzt dass mehr Arbeiter gebraucht wurden. In den beiden ersten Jahren des Dritten Reiches sank die Zahl der Arbeitslosen von sechs auf drei Millionen. 1935 waren es nur noch 1,5 Millionen, und am Vorabend des Krieges gab es keine Arbeitslosen mehr.

Am 18 Juni 1935 unterzeichnete Adolf Hitler mit England das Flottenabkommen. England versuchte Adolf Hitler durch Zugeständnisse unter Kontrolle zu bekommen. England setzte dabei auf den Nichtangriffspakt, den Adolf Hitler mit Polen geschlossen hatte. Adolf Hitler ging es jedoch nur um Zeitgewinn um Aufrüsten zu können.

Die ersten politischen Schritte gegen die Juden verkündete Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag am 15. September 1935. Die jüdischen Bürger verloren alle bürgerlichen Rechte.

Im März 1936 besetzten deutsche Truppen ohne französischen Widerstand das entmilitarisierte Rheinland. 1937 verbündete sich Deutschland mit Japan.

1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde von den Alliierten hingenommen. Am 29. September 1938 beschließen Adolf Hitler und die Alliierten, dass die Randgebiete der Tschechoslowakei und Polen an Deutschland abgetreten werden sollen. Trotzdem marschierten die deutschen Truppen am 15. März 1939 in die Tschechoslowakei ein. Außer scharfen Protesten passierte wieder nichts. Deutschland verlor seine Glaubwürdigkeit. Am 23. August 1939 unterzeichnet Adolf Hitler den Nichtangriffspakt mit geheimem Zusatzprotokoll.

Am 1. September überfällt Deutschland Polen.

Moritz Gallion, im Jahr 2000 mit 14 Jahren als Referat gehalten

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Das Grauen verarbeiten

Mietje Bontjes van Beek wurde 1922 in eine Künstlerfamilie hineingeboren. Ihr Großvater war der bekannte Maler Heinrich Breling, ein Onkel war Otto Modersohn, und die Eltern Olga und Jan waren ebenfalls als Künstler bekannt. Sie wuchs mit den Geschwistern Tim und Cato im beschaulichen Bauern- und Künstlerdorf Fischerhude, östlich von Bremen gelegen, auf - wohin sie in späterer Zeit wieder zurückkehrte.

Anfang der vierziger Jahre kommt sie mit ihrer Schwester Cato nach Berlin, wo ihr Vater ein Atelier besitzt. Sie erleben nun den Nationalsozialismus aus der Nähe. Am Bahnhof gelingt es ihnen, französischen Kriegsgefangenen wiederholt Dinge zuzustecken oder auch entgegenzunehmen. Dann wird Mietje krank und kommt zurück nach Fischerhude. Sie kann Briefe der Gefangenen mitnehmen, die sie im Garten in einer Flasche vergräbt. Cato schließt sich dem Widerstand an, verteilt Flugblätter gegen das Hitlerregime. Im September 1942 wird sie von der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei, abgeholt, und Anfang Januar 1943 zum Tode verurteilt. Im August 1943 wird das Urteil in Berlin-Plötzensee durch das Fallbeil vollstreckt.

Mietje ringt mit ihrer Situation, dass sie aus Berlin davon gekommen ist. Sie schreibt: "Wer das rettende Ufer erreicht hat, muss froh sein, auch wenn er von jetzt an rettungslos einsam ist..." Es vergehen vierzig Jahre, bevor sie die Flasche im Garten wieder ausgräbt.

Es entsteht das Buch "Verbrennt diese Briefe!" und eine Reihe von Bildern, in denen sie das Grausame jener Zeit in sich aufzurufen vermag, um ihm eine Gestalt zu geben. Es sind durchlebte, verinnerlichte Dokumente, die sie ihrer Mit- und hoffentlich auch Nachwelt übergibt.

Eine Ausstellung einer Anzahl dieser Bilder fand von Oktober 2005 bis Februar 2006 in Fischerhude statt. Sie war auf zwei Räume verteilt. Im ersten Stock waren die größeren Malereien ausgestellt, im darüberliegenden Dachgeschoss kleinere, intimere Bilder, die einen sehr nah an das Leiden der Menschen heranbrachten. Nahezu transparent, ohne äußere Grenzen die Seelen erscheinen lassen, als ob es eigene innere Bilder wären. Menschen hinter Stacheldraht, vor der Todesgrube, zusammengedrängte Seelen auf dem Felde äußerer Vernichtung. Kinder, die einen ängstlich-erstaunt und fragend anschauen. Es wird schwer, den Raum längere Zeit auszuhalten.

Im unteren Ausstellungsraum ist die ganze Stimmung festgehalten, die jene Zeit durchdrang. Gelb-grün-bräunliche Wolken, die Atmosphäre des Landes durchdringend, Ausweg- und Bodenlosigkeit, Gleise, die im Morast versinken„` oder im schrecklich durchgrellten Bahnhof enden.

Eine Zeit, in der das Finstere schweflig-gelblich herrscht und die drohende Vernichtung überall spürbar ist! Man fragt nach dem Anderen, das es doch auch geben muss, der hellen Klarheit, dem Licht. Es ist schwer, es hier zu entdecken. Vielleicht in den Brückenbildern. Gewaltige Konstruktionen, die über Abgründe hinüberführen.

Es sind einige Werke mit ausgestellt, die eine spätere Zeit behandeln, freundliche Töne aus Italien, geheimnisvolle Tierdarstellungen, einen Clown, der mit allem nun fertig werden muss, mehrere "Schachspieler", die von wachen, durchdringenden Wesen begleitet sind.

Jürgen Kaminski

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Unfassbare Kehrseite des Mao-Kultes

Zwölf Jahre lang recherchierte die in England lebende chinesische Autorin Jung Chang zusammen mit ihrem Mann, dem Historiker Jon Halliday, über das Leben Mao Zedongs (frühere Schreibweise Mao Tse-tung). Das Buch darüber erschien im Juli 2005 zunächst in England und fand schnell weltweites Interesse.

Anhand einer Menge von zusammengebrachten Dokumenten und unzähligen Gesprächen mit Personen des näheren und ferneren Bekanntenkreises brach jene herausgestellte Fassade des freundlichen, poetischen und weisen "Führers" zusammen. Es erschien dahinterliegend eine unfassbare Tragödie Chinas mit annähernd 70 Millionen Opfern, die unter der unbarmherzigen Diktatur Mao Zedongs umkamen.

Gleich nach Beginn seiner Herrschaft im Jahre 1949 mussten bereits fünf Millionen Menschen sterben, als eine erste "Landreform" mit äußerster Brutalität durchgeführt wurde. Die teilweise nur etwas mehr Besitzenden wurde dabei zu Angeklagten und schnell zu Opfern.

Jung Chang und Jon Halliday belegen, dass Mao Zedong in vielem Josef Stalin nacheiferte, von dem er auch gefördert wurde. Die menschenverachtenden Methoden des Stalinismus wurden angewandt und schufen in China noch mehr Opfer als in der sowjetischen Schreckensherrschaft.

So wiederholte sich dann mehr als zwanzig Jahre nach der zwangsweisen Kollektivierung der im Sowjetbereich lebenden Bauern mit Millionen von Verhungerten in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts das unfassbare Elend in China.

1958 gab Mao Zedong die Losung und den Befehl zum "Großen Sprung" aus, um Kollektivierung und Industrialisierung nun gewaltsam voranzubringen. Damit einher ging der militärische Ausbau. So wurden gewaltige Getreidemengen in die Sowjetunion verfrachtet, um im Gegenzug militärisches Material zu bekommen. Daran war auch die Deutsche Demokratische Republik beteiligt, wo dieser Austausch ebenfalls stattfand. In China herrschten dabei Hungersnöte. In der Landbevölkerung verhungerten in diesen Jahren an die 40 Millionen Menschen.

Das hatte aber doch zur Folge, dass der Hauptverantwortliche seine uneingeschränkte Herrschaft einbüßen musste. Einige Parteiführer wagten sich hervor, um Verbesserungen der Lage einzuleiten.

Erst 1966 gelang es Mao Zedong, die alte Machtfülle zurückzuerhalten. In diesem Jahr begann rund um den Globus eine Jugendbewegung, welche eigentlich alte erstarrte Verhältnisse aufbrechen und erneuern wollte. Unter Mao Zedong sah das so aus, dass er Millionen von Jugendlichen nach Peking rief, um sie zu "Roten Garden" zu ernennen. Sie erhielten Weisung und Vollmacht, überall Altes und Verderbtes aufzuspüren und zu zerstören. Die so "Entdeckten" mussten Demütigungen erleiden, wurden zur "Umerziehung" in Lager gesteckt oder oftmals auch gleich umgebracht. Es reichte als "gebildet" zu erscheinen und Kunstwerke zu besitzen, um Argwohn zu erregen. Die Anzahl der Ermordeten belief sich auf etwa drei Millionen.

Während der gesamten Regierungszeit Mao Zedongs von 1949 bis 1976 (wo er starb) kamen in Gefängnissen und Arbeitslagern ungefähr 27 Millionen Menschen um. Dabei zeigte sich der Herrscher weiterhin als "weiser Führer", dessen Vorbild vor allem Entwicklungsländer folgen sollten. Einer, der ihm tatsächlich nachfolgte, war Pol-Pot, während dessen kambodschanischer Herrschaftszeit ein Viertel der Bevölkerung ums Leben kam. Auch er strebte eine "Kulturrevolution" an.

Weiterhin gibt es Belege, dass Mao Zedong zur Durchsetzung der kommunistischen Idee erhoffte, dass sich die Sowjetunion mit dem Westen einen Atomkrieg liefern würde. Er meinte wohl, dass, wenn beide Mächte geschwächt sind, China als alleinige Herrschaftsmacht auferstände.

Dieser ungeheuerliche Gedanke scheint seine Gründe schon in der Anfangszeit der kommunistischen Regierung in China zu haben. Die vordem herrschenden nationalchinesischen Truppen waren in der Zeit des Zweiten Weltkrieges so von Japan geschwächt worden, dass die Verbände Mao Zedongs sie hernach überrollen konnten. Sie flohen auf die Insel Formosa, dem jetzigen Taiwan.

Das Buch von Jung Chang und Jon Halliday schließt eine weitere Lücke in der Aufarbeitung des 20. Jahrhunderts. Dessen Abgründe aufzuzeigen und möglichst alles zu verdeutlichen, was in die verschiedenen Formen von Barbarei hineinführte, ist vielleicht die wichtigste Aufgabe jetziger Zeit.

Es mögen am Anfang hehrste Ideale einer brüderlichen Gesellschaft gestanden haben. Es folgte aber jener Furor mit Millionen Opfern, die diesem Glück scheinbar im Wege standen. Da wurde bereits die Idee gewaltsam und versuchte, das niederzuringen, woran sie sich hätte korrigieren müssen. Das bloße Umsetzen von Vorgefasstem ist ein soziales Gift. Es muss eine Umwandlung von allen Beteiligten geschehen, so dass in die Wirklichkeit nur gelangt, was von freiem Einverständnis getragen wird,

Jürgen Kaminski

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Nachrichten aus dem Eulenspiegel

Mitgliederversammlung
Am Abend des 30.September findet eine außerordentliche Mitgliederversammlung statt, wo wir neue Mitglieder aufnehmen werden, eine Vorstandsnachwahl durchführen und über die Situation im Eulenspiegel beraten und eventuell die Ergebnisse der Visionenwerkstatt reflektieren.

Archiv Peter Schilinski
Bei weiteren Aufräumarbeiten auf dem Dachboden sind noch drei Kisten mit Briefen und interessanten Dokumenten gefunden worden. Ingo Mäder sortiert aus und hofft nun im nächsten Jahr eine CD mit Briefdokumenten fertig stellen zu können.

Cafe und Restaurant
Der Sommer war gut. Viele Aushilfen und Gäste bevölkerten das Restaurant und viel viel Arbeit prägte die Situation. Es gab bei schönen Wetter soviel Zulauf, dass Monika noch weitere Biertische im Garten aufstellen musste. Auch der viele Regen im August beeinträchtige die Gaststätte nicht wirklich.

Holzhaus
Unsere Bedenken, ob nach den Änderungen im Projekt (insbesondere dem Ende der Wohngemeinschaft) noch weiterhin Gäste ins Holzhaus kommen würden, wurden durch den Juli und August zerstreut. Viele Bekannte besuchten uns auch in diesem Sommer und dadurch wurden auch die sommerlichen Rundgespräche gut besucht.

Rundgespräche
Nachdem im Frühjahr die Gesprächsabende ab und zu ausfielen, waren sie im Sommer wieder gut besucht. Trotzdem wollen wir ab Oktober Veränderungen einführen. Als erstes finden die Rundgespräche dann donnerstags statt, außerdem werden wir weniger Rundgespräche durchführen und dieses Weniger aber mit Mehr kompensieren. Das Ziel ist ein Rundgespräch im Monat durchzuführen, an dem außer Anton auch Dieter und Karl-Heinz anwesend sind. Dadurch sehen wir uns mindestens einmal im Monat und können vor, während und danach auch Dinge des Projektes besprechen. Ich erhoffe mir davon neue Impulse für die gemeinsame Dreigliederungsarbeit.

 Tagung Lebensgemeinschaften in Achberg
Vom 30.9. bis zum 3.10.06 findet im Humboldt-Haus in Achberg eine Tagung mit dem Thema "Lebensgemeinschaft – Kommune – Wärmefähre" statt, veranstaltet vom Verein zur Förderung des Erweiterten Kunstbegriffs und der Sozialen Plastik. Zur Darstellung und zum Gespräch kommen vier verschiedene Gemeinschaftsversuche aus dem gesamten 20. Jahrhundert bis einschließlich heute: aus den 20er Jahren das Barkenhoff-Projekt von Heinrich Vogeler in Worspwede, die Witthüs-Teestuben in den 50er- und 60er Jahren von Peter Schilinski und Ulle Weber auf Sylt, die AAO-Kommune von Otto Mühl in den 70er und 80er Jahren im Friedrichhof bei Wien sowie die Lebensgemeinschaft Klein-Jasedow, die heute mit 24 Menschen und steigender Tendenz einen Aufschwung der gesamten Region bewirkt hat.

„Der Soziale Künstler ist zunächst der Erbauer assoziativer,
gesamtgesellschaftlicher Einheiten." Joseph Beuys
Verein zur Förderung des Erweiterten Kunstbegriffs und der Sozialen Plastik e.V. c/o Rainer Rappmann

Am Schwarzenbach 25, 88239 Wangen/Allg. Kto Nr. 65 073 200 GLS-Bank (BLZ 430 609 67) Tel: 07528/7734 Fax: 07528/6028 Internet: www.fiu-verlag.com

 Treffen der deutschsprachigen Tauschsysteme 2006
Allgäuer Tauschringe und TalenteTauschKreis Vorarlberg
3. bis 5. November 2006 in Wangen
Fünf Allgäuer Tauschringen werden mit Unterstützung des TalenteTauschKreises Vorarlberg (TTKV - www.tauschkreis.net) das Treffen der deutschsprachigen Tauschsysteme 2006 organisieren. Tauschringe aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz sind dazu eingeladen. Für die Vorbereitungen finden verschiedene Organisationstreffen statt, die alle protokolliert und veröffentlicht werden unter http://tauschringe-allgaeu-schwaben.carookee.de (Hinweis: Auf der Website am rechten Rand "Dateien" anklicken und dann "Texte und Dateien - Wichtig für ALLE" auswählen).

Das Treffen findet in der Waldorfschule in Wangen im Allgäu statt. Direkt in der Schule wird es begrenzte Übernachtungsmöglichkeiten geben. Darüber hinaus gibt es in Wangen und Umgebung viele günstige Übernachtungsmöglichkeiten in Privatquartieren und Pensionen sowie touristischen Einrichtungen. In begrenztem Umfang werden auch Übernachtungen bei Tauschring-Teilnehmer/innen möglich sein. 

"Wie Wollen Wir Wirtschaften? Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus"
24. - 26. November 2006 in der Berliner TU (Technische Universität).
Weltweit entwickeln sich mit rasanter Geschwindigkeit Projekte einer anderen Ökonomie. In Lateinamerika, Asien und Afrika, aber auch in Europa suchen immer mehr Menschen nach wirtschaftlichen Alternativen. Gleichzeitig wächst die internationale globalisierungskritische Bewegung mit ihren politischen Forderungen. Diese Bewegung verbindet sich in einigen Ländern zunehmend mit der Solidarischen Ökonomie.

Auch in Deutschland gibt es einen großen Wirtschaftssektor Solidarischer Ökonomie, der sehr unterschiedliche Formen von Betrieben und Projekten umfasst, z.B. alte und neue Genossenschaften, selbstverwaltete Betriebe, Unternehmungen mit sozialer Zielsetzung, Wohn- und Gemeinschaftsprojekte, Tauschringe, alternative Finanzierungseinrichtungen, fairen Handel, landwirtschaftliche Direktvermarktung, Frauenprojekte, Initiativen für offenen Zugang zu Wissen und andere Formen wirtschaftlicher Selbsthilfe.

Die Zeit ist reif für einen Kongress, der diesen Wirtschaftssektor öffentlich darstellt und politische Fragen Solidarischer Ökonomie diskutiert; für einen Kongress, der Mut macht zu solidarischem ökonomischen Handeln, die vielfältigen Akteure zusammen bringt und einen Raum bietet für die Diskussion offener und kontroverser Fragen.
Dagmar Embshoff, Kongress-Büro der Bewegungsakademie,

Tel: 04231/ 957 512, email: embshoff@bewegungsakademie.de,

sowie unter www.solidarische-oekonomie.de

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Unmögliches Mitwirken

Manche – durchaus auch anthroposophisch orientierte – Vereinigungen werben neuerdings vermehrt darum, daß Interessenten sich am sozialen und politischen Geschehen beteiligen können, wenn sie sich ihnen anschließen würden. Das ist oft sehr gut gemeint, ähnlich, wie das auch Parteien schon seit geraumer Zeit pflegen. Aufmunternd wird gesagt, daß man sich "einbringen" solle ins politische Geschehen usw., und daß die Partei dafür eine gute Basis usw. bieten würde. Zum Teil wird sogar behauptet, daß auf andere Weise jemand seine Rechte gar nicht geltend machen könne und dergleichen. So nett das klingt, so sehr ist doch ein solches Mitwirken eigentlich gar nicht möglich, und zwar aus dem einfachen Grunde, da jeder Mensch ohnehin Teil des gesamten sozialen Lebens ist. Es ist ganz und gar unmöglich, daß ein auf der Erde erscheinender Mensch nicht Bestandteil des sozialen Lebens auf der Erde ist!

Sobald er überhaupt nur den ersten Atemzug tut, nimmt er Teil als Konsument an der gesamten Lufthülle der Erde und damit am Wirtschaftsleben. Sehr bald braucht er auch etwas zu essen, zu trinken usw. Er ist also längst am "sozialen und politischen Leben" beteiligt, längst bevor irgendwelche Initiativen oder Parteien auf ihn zutreten und zum "Mitglied" machen wollen. Die Wahl, daran teilzunehmen oder nicht, hat er in Wahrheit gar nicht – er ist längst mittendrin.

Unter diesem Aspekt ist es natürlich interessant, wenn Initiativen zur Mitwirkung aufrufen. Die Vorsilbe "mit" bezeichnet dabei, daß nur an eine Beteiligung gedacht ist, und daß die Sache eventuell etwas mit Vorsicht zu genießen ist. Denn wo man nur Mitwirken darf, ist an Hauptwirkende zu denken, die Richtung und Inhalt des Geschehens prägen wollen. Tatsächlich sind die meisten Organisationen noch so strukturiert. Es ist nun in der Tat sehr interessant – und so auch z.B. in Steiners Dreigliederungslehre erwähnt –, daß sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte drei große Perioden gesellschaftlich-staatlicher Entwicklung ausmachen lassen. Die erste kann man theokratisch nennen, sie prägt die alten Priesterkönigs- und Pharaonenkulturen der sumerischen, babylonischen, ägyptischen Antike. Der Pharao wurde selbst noch als eine Art Gott betrachtet, und das gesellschaftliche Leben war eine Art Gottesdienst für diesen Gott. Auch die römischen Cäsaren, also Kaiser, ließen sich derart noch als Gottheiten verehren. Eine zweite Periode ist dadurch charakterisiert, daß die Leitgestalten, Papst oder König, sich als Stellvertreter Gottes auf Erden definieren. Hier kommt zugleich damit der Rechtsbegriff auf. Das "Heilige Römische Reich", dessen Ende vor 200 Jahren jetzt erinnert wird, war solch ein Stellvertreterreich. Gegenüber dem rein priesterlich-offenbarenden Geistesleben der Antike kam in diesem "Mittelalter" nun das ganze Rechtsleben, das eigentlich politische Leben auf und wurde in allen Einzelheiten durchgeschliffen. Die letzte Periode mit Beginn der "Neuzeit" dann widmete sich ganz der materiellen Welt und der Autonomie des Individuums. Der Protestantismus ist ja ein Protest noch gegen das Stellvertreterprinzip des katholischen Papsttums, indem es die direkte Gläubigkeit des einzelnen Christen als genügend erachtet. Das Stellvertretermäßige wird hier abgestritten. Zugleich kommt die Wirtschaft, das internationale Handels- und Bankwesen, mit den Medici, den Fuggern, Welsern usw. als die moderne, eigentlich bestimmende Macht auf. Unter den wirtschaftlich emporkommenden Mächten, etwa den norddeutschen Patrizierhäusern, sind auffallend viele Protestanten. – Könige und Adel sind dagegen heute, bis auf wenige Länder, eigentlich nur noch zur Dekoration, auch der Papst hat – außer ein paar moralischen Hinweisen, wenn er sie denn erbringt – nicht mehr viel zu melden, zumindest nicht in der Wirtschaftswelt. Pharaonen schon gar nicht, die gibt es eigentlich fast nicht mehr.

Also Führungspersonen, die andere mehr oder wenig somnambul um sich scharen, sind eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Man muß das wissen, wenn man zeitgemäße Sozialstrukturen einrichten will, daß es diese Wiederholung vergangener Prinzipien gibt, und daß sie immerfort wieder auftauchen und sich schematisch wiederholen, wenn man ihnen nicht bewußt gegensteuert. Dann taucht sonst immer wieder ein kleiner "Fürst", ein "Landesherr", ein Provinzkönig auf und läßt sich von seinen Lakaien bedienen, wobei das nicht nur seine alleinige Passion sein muß, sondern genauso gut die seiner Dienerschaft sein kann – eine magnetische Konstruktion aus Sadismus und Masochismus. Es ist dabei ganz egal, um was für eine Einrichtung es sich handelt, es kann das ein Tierschutzverein sein, oder der Trägerverein einer Waldorfschule, und natürlich auch eine Partei oder eine Initiative, die Menschen zum "Mitwirken" aufruft.

"Was am Menschen das Wertvollste ist, kann ihm weder gegeben, noch genommen werden" vermerkte Seneca. So hat der Mensch seine Würde auch von Natur aus, sie braucht ihm nicht erst durch irgendeine "Teilnahme" verliehen werden. Es ist dies ein Produkt der Neuzeit, wo der Mensch zu glauben anfängt, erst das sei wirklich, was in seinem Kopf vorgeht. So glaubt er auch, erst ein Parteiprogramm machen zu müssen, bevor er etwas bewirken kann, bevor etwas Wirkliches geschehen kann. Das, was dann nach dem Kopf geht, hält er für wirklich. So sehr ist der Kopf Schmarotzer des übrigen Menschen, daß er nicht merkt, daß er schon längst vorher von der Wirklichkeit getragen wird, bevor er überhaupt anfing, seine Spiegelbilder zu machen. So steht auch der Mensch schon längst drin in der Wirklichkeit, weit bevor er sich Programme zu machen anfängt. Je mehr er diesen Wirklichkeitscharakter gewahrt, desto realer beginnt er, seine Beteiligung am sozialen Ganzen wahrzunehmen. Nicht darum handelt es sich, daß er da erst einen Einstieg finden muss – denn den hat er schon längst hinter sich –, sondern darum, wie er sein bereits vorhandenes Darinnenstehen gestaltet. Es ist das sein Anteil nicht nur an einer begrenzten sozialen Gemeinschaft, wie er vielleicht glaubt, sondern an der gesamten Erdentwicklung. –

Andreas Pahl

"Warum muss einer dastehen wie ein Hirt,
so ausgesetzt dem Übermaß an Einfluß,
beteiligt so an diesem Raum voll Vorgang,
daß er, gelehnt an einen Baum der Landschaft,
sein Schicksal hätte, ohne mehr zu handeln...?"
(R.M. Rilke)

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